Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
diesen merkwürdig-wiegenden und gleichförmig-schaukelnden Laufrhythmus der Kamele, mag ihre gelassene Langsamkeit und die gleichmäßige Monotonie ihrer Schritte, die ich mir mittlerweile angeeignet habe. Vier bis fünf Kilometer in der Stunde können Kamele gehen. Ein Tempo, das sie mehr als vierzehn Stunden am Tag durchhalten, während sie bis zu drei oder vier Zentner auf dem Buckel schleppen.
In der gleichförmigen Gangart der Kamele bewegen sich auch viele Nomaden seit undenklichen Zeiten rund um die Welt. Und in diesem rhythmisch-monotonen Schrittablauf offenbarten sich auch mir die ehrfurchtgebietenden Landschaften wüster Weiten. Hier begriff ich, dass man sich immer wieder in den Hintern treten muss, um etwas für sich selbst zu tun – und dass stetig neue Erlebnisse und Erfahrungen eine Menge Spuren in uns hinterlassen, die zu uns selbst führen.
Gleichwohl war es ein langer Weg, ehe ich mit Kamelen in der Wüste kostbare Erfahrungen machen konnte. Dieser Weg führte mich als Erstes in die Bibliotheken (Internet war damals noch Science-Fiction), wo ich mir mit großer Neugier eine Menge Wissen über das Kamel aneignete. So erfuhr ich, dass sich die »Altweltkamele« (Camelus) in zwei Gattungen aufteilen: Das Dromedar, das nur über einen Höcker verfügt, umgangssprachlich aber auch als Kamel bezeichnet wird, ist vor allem im afrikanisch-arabischen Raum verbreitet. Das Baktrische Kamel (auch Trampeltier genannt) besitzt hingegen zwei Höcker. Im Durchschnitt ist es größer und schwerer als sein einhöckriger Artgenosse. Auch die Färbung des Felles ist dunkler, der Haarwuchs am Hals und an den Flanken länger. Zu seiner Heimstatt zählen vor allem die Trockenregionen Innerasiens, wo das zweihöckrige Kamel nicht nur als Last- und Reittier genutzt wird, sondern auch als Milch-, Fleisch- und Dunglieferant. Letzteren verwenden die Nomaden als Brennmaterial an ihren Feuerstellen, während ihre Kinder die Dungkügelchen zum Murmelspiel gebrauchen.
Als ich mir irgendwann genügend Wissen über diese Tiere angeeignet hatte, brach ich nach Afrika auf, um vor Ort den Umgang mit Kamelen zu lernen. Zu diesem Zweck verbrachte ich viel Zeit bei den Tuareg in Algerien und Mali sowie bei den Arabern in Marokko und Ägypten. Ich erfuhr, dass Kamele anhängliche Herdentiere sind, die nur ungern ihre Gefährten verlassen; dass sie jeden Trick anwenden, um an ein Büschel Gras zu gelangen, und auch in das dichteste Dickicht eindringen, um Futter zu finden; dass Kamele alle möglichen Gemeinheiten anwenden, wenn sie ihren Willen durchsetzen wollen; dass die Nasenzügel unentbehrlich sind, da die kräftigen Hälse eine Führung nur mit einem normalen Halfter kaum möglich machen. Auch lernte ich mit den Stricken umzugehen, an denen die Kamele im Schlepptau geführt werden. Ich erfuhr, wie man den Wüstenschiffen die Fußfesseln anlegt, damit sie sich bei der Futtersuche nicht zu weit vom Lager entfernen; wie man einen Nasenpflock anbringt; und dass man seine Angst vor möglichen Verletzungen ablegen muss, auch wenn die Zähne im Unterkiefer eines Kamels schartigen Scherben gleichen, mit denen sie härteste Äste zermalmen können.
Zudem neigen Kamele hin und wieder zum Ausschlagen – mit den Vorderbeinen nach vorne und mit den Hinterbeinen rückwärts oder seitlich. Mit gezielten Tritten können sie einem Menschen ohne weiteres einen Knochen brechen. Solche Attacken sind nur zu vermeiden, indem man sich bei den Kamelen Respekt verschafft und Ungehorsam mit spürbaren Hieben bestraft (was mir nach wie vor sehr schwer fällt).
Manche Araber gehen dabei sehr rabiat vor. Nie werde ich vergessen, mit welcher Brutalität einige Beduinen auf der Sinai-Halbinsel einen Kamelbullen bestraften. Damals war ich zwischen dem Golf von Suez und dem Golf von Akaba auf den Spuren des Alten Testaments unterwegs. Wir waren zu dritt – der achtzehnjährige Beduine Sajid, der sich in der Sinai-Wüste bestens auskannte, Carsten Wulff, ein guter Freund aus Deutschland, und ich. Eines Morgens, mitten im Wüstenland, keilte eines unserer Kamele mit den Hinterbeinen aus. Es war ein störrischer Bulle, der mit seinen scharfen Zähnen nach uns schnappte und niemanden an sich ranließ. Alle Versuche, das zwei Meter hohe Höckertier für die Weiterreise zu beladen, schlugen fehl.
Gegen Mittag näherten sich dann drei Reiter. Beduinen mit lederner Haut und dunklen Augen, die wegen des hellen Lichts halb geschlossen waren. Sie boten uns ihre
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