Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
alten Namen kathena , schon wegen der Bootspapiere und des Aberglaubens. Als Hafen nannte ich das holsteinische Büchen, wo ich mal gelebt hatte. Ein Schiff muss einen Heimathafen haben. Das hatte ich in der Berufsschifffahrt gelernt, wo ich mir Seebeine und Aberglauben erwarb. Jetzt nahm ich kathena endgültig in Besitz, sie war im Grunde Begleiter und Heimat zugleich.
Zwischen die Fenster in der Kajüte klebte ich eine Weltkarte, die ich aus jeder Position sehen konnte. Egal was passieren würde, meine geplante ganz große Freiheit wollte ich nicht aus den Augen verlieren: Panama, Tahiti, Kap der Guten Hoffnung. Irgendwo dort sollte sie stattfinden. Obwohl ich noch keine Meile gesegelt war, fühlte ich mich dennoch wie ein Mensch mit einer Geschichte. Souverän und selbstbewusst bewegte ich mich zwischen Hafen und Stadt, mehr noch zwischen Boot und Strand. Ich war stolz auf mich, ungefähr so wie ein Fast-Weltumsegler.
Mein kraftvolles Auftreten basierte auch auf den Arbeiten, die der Seetüchtigkeit des Bootes dienten. Zum Beispiel das Cockpit selbstlenzend umbauen, Hand über Fuß eine Reling biegen, zusätzliche Stagen setzen und vieles mehr. Jetzt war es mein Boot. Stolz stand ich am Kai und bewunderte es – mal von rechts, dann von links und wieder zurück. Symbolisch – mit einem Armschwung – schloss ich es ins Herz.
Bald klebten Fotos am Schott, lagen Schlepplog und Sextant im Schapp, standen Fachbücher im Bord. All dies machte die Kajüte individuell und deutete auf Reisen in die Ferne hin. Vor allem dokumentierte eine Selbststeueranlage am Heck meinen Aufstieg. Ich hatte mir wichtige Werte geschaffen und war glücklich. Hätte ich kathena übernommen und nichts investiert, nichts verändert, keine Vorbereitungen für Nachtsegelei, Nebelfahrt, Sturm getroffen, nicht das Hantieren mit einem Sextanten geübt, wäre sie nie meine Bootsliebe geworden. Zudem war sie aus Holz gebaut, da fällt einem das Einfühlen leichter. Warum Holz? Zufall.
Bei meinen folgenden Schiffen lief die Einvernahme ähnlich ab. In der Wiederholung verloren die Geheimnisse des Sich-Aneignens an Reiz. Es ging mir nun auch nicht mehr darum, unbedingt ein völlig anderes, praktischeres, schöneres Schiff zu haben. Ein neues Gebrauchtschiff? Wenn es die gleichen Qualitäten wie das alte hatte, war ich zufrieden. Ohne erwähnenswerte Ansprüche.
Vieles ergab sich einfach so. Oft unbeabsichtigt. Egal ob Holz, Metall oder glasfaserverstärkter Kunststoff. Linien, Kiel, Rigg, Koje und Selbststeuerung bildeten die Prioritäten. Nicht zu vergessen die Cockpitbänke, auf denen man auch liegen kann. Und letztlich der Bootsname: Ich blieb bei kathena und fügte neue Adjektive hinzu. Früher noch in Schattenschrift, mühevoll mit Farbe und Pinsel aufgetragen, später mit Klebebuchstaben. Der Bootsname bedeutet mir viel. kathena 2, kathena faa , kathena nui und so weiter. Damit hatte ich immer sofort eine Verbindung hergestellt. »Du trägst mich, und ich passe auf dich auf.«
Eine ergänzende Anmerkung: Die Namensgebung ist wohl mit das Wichtigste, um seinen Begleiter ins Herz zu schließen. Bei einem Gebrauchtboot sollte man nicht den Namen aus Bequemlichkeit übernehmen, sondern dem Boot einen neuen Namen geben, das schafft ein starkes Verhältnis. (Beim Kauf der ersten kathena wusste ich das noch nicht.) Ein eigener Name schafft eine Zuflucht, in der ich mich geschützt fühle. Mein Zuhause in der Fremde oder eine Heimat, in der ich mir sicher sein kann.
Einfühlen muss man sich trotzdem. Das kann aber nur geschehen, wenn der erste Blick aufs Boot »zündet«. Ich und später Astrid bevorzugen sportliche Linien – ab und an mit kleinen Abweichungen. Wir wählten nicht kleine Boote, weil wir sie besonders lieben, sondern weil finanziell nicht mehr möglich war.
Wirklich von Wert ist eine Einvernahme erst, wenn mein Schiff mal sturmdurchtränkt gesegelt oder koppheister durch die See geschossen ist und heil herauskam. Zufrieden? Logisch. Zugegeben: zunächst mal nicht, aber später. Erst kommt: Wie sind die Bewegungen? Ist es dicht von oben? Von unten? Ist die Ausrüstung sicher verstaut? All das hinterlässt einen starken Eindruck. Ist es eine undichte Hülle ohne Haltegriffe und schlecht platzierten Kocher, dann lebe ich in Sorge um Bruch. In stürmischem Wetter ist es mit der Liebe zum Boot nicht weit her. Da nutzt der ganze Firlefanz mit Namensgebung, Fotos und Weltkarte wenig. Erst wenn es an Deck hart und nass zugeht,
Weitere Kostenlose Bücher