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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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heiß, und wir waren durstig, die Palmen aber ausnahmslos hoch. Rasch schnitt ich ein Palmenblatt in einen Streifen, knotete eine Schlaufe und schlang sie um beide Füße, damit ich beim Klettern besseren Halt haben würde. Rund zehn Nüsse purzelten auf den Sand. Genug für die restlichen Tage hier und für die Weiterfahrt. Doch beim Absteigen passierte es: Das Band riss, und ich kam arg ins Rutschen. Zwar konnte ich mich immer wieder kurz bremsen, zog mir aber großflächige Schürfwunden an Brust, Beinen und Armen zu. Mühsam und schwindlig erreichte ich den Boden. Um einer Infektion vorzubeugen, stürzte ich mich gleich in die Lagune. Das war unbedacht: Es schmerzte fürchterlich, und die Schürfwunden entzündeten sich und hinterließen auf der Brust Narben, die den Konturen der Inseln Tahiti und Moorea ähnelten.
    Das Nahrhafteste neben den Trinknüssen war während unserer Jahre im Indopazifik Uto, eine merkwürdige Masse, die wie Styropor aussieht. Uto entsteht, wenn eine ausgereifte Kokosnuss vom Baum fällt und liegen bleibt, bis sich die ersten neuen Triebe zeigen. Dabei setzt eine wunderbare Metamorphose ein: Fleisch und Flüssigkeit im Inneren der Nuss verwandeln sich allmählich in eine weiße, schwammige Substanz. Das ist Uto. Wir haben es ausschließlich roh gegessen – als Nachtisch. Der Geschmack ist seltsam modrig, wässerig. Doch Uto allein genügte uns nicht. Die Milch in der grünen Nuss war während unserer jahrelangen Reise ein hervorragender Ersatz für Trinkwasser, besonders innerhalb der Atolle, wo es kein brauchbares Trinkwasser gab.
    Hatten wir zu viele tropische Früchte – Papaya, Mangos, Bananen – begoss Astrid sie mit Kokossahne. In ihrem Tagebuch hat sie festgehalten:
    Die Kokossahne ist einfach zuzubereiten. Ich halbiere eine reife Nuss, schabe das weiße Fleisch so fein wie möglich, lege es in ein Tuch und quetsche es so sehr, bis »Sahne« herausläuft. Dieser Saft ist auch als Coconut-Cream bekannt. Ich koche alles Mögliche damit: Fleisch, Fisch, Brotfrucht.
    Das feinste Gericht mit Coconut-Cream ist aber das polynesische Poisson cru: Man fange einen Seefisch, schneide ihn roh in Streifen und lege diese zehn Minuten in einen Liter Salzwasser, danach mehrere Stunden in den Saft ausgedrückter Limonen. Man gebe ordentlich Coconut-Cream, Salz und eventuell Zwiebeln, Möhren und Tomaten bei und mische alles. Das Ergebnis ist ein bittersüßes Gericht. Hm, köstlich!
    Dieses Fischgericht war stets ein Festessen – bei dem ich leider zusehen musste.
    Ohne die Kokospalme gäbe es kein Leben auf den Atollen. Ohne die Früchte an Bord hätten die Insulaner nicht ihre großräumigen Entdeckungsfahrten unternehmen können. Aus persönlicher Erfahrung kann ich bestätigen, dass kein Naturprodukt sich besser als Proviant für lange Seereisen eignet. Zum Trinken: frisch gepflückte und halbreife Kokosnüsse. Zum Essen: die ausgereiften. Wochenlang haben wir auf See von ihnen gezehrt. Die einzige Schwierigkeit: Man muss schon sehr geschickt sein, sie zu ernten und zu öffnen.
    Wie oft wird der Mensch von fallenden Nüssen erschlagen? Wir haben nirgendwo davon gehört. Kaum zu glauben, aber die Menschen in der Südsee haben ein Gespür dafür, wann sich eine reife Nuss lösen könnte, und machen schnell den entscheidenden Schritt zur Seite.
    Auf unserer Südseesegeltour notierte ich an einem der einsamen Ankerplätze, wo wir über Wochen wie Robinson leben konnten:
    Es ist ein Morgen, der klarer, heller, schöner nicht mehr denkbar ist. Der Himmel beinahe wolkenlos, und der Horizont reicht bis ins Meer hinein. Ich atme in tiefen Zügen die frische Morgenluft, halte eine Hand wie einen Schirm über die Augen, blicke der aufgehenden Sonne entgegen und erfreue mich dieser einsamen Bucht.
    Die Bucht lag auf den Hermitinseln. Die befinden sich an der Nordküste von Papua-Neuguinea, also ziemlich am Ende der Welt. Sie waren nicht nur unbewohnt, sondern auch ein ideales Ankerrevier. Und es gab viel zu ernten: Wild und zahlreich standen die Palmen in der Gegend herum. Irgendwie gehört es zu einer einsamen Insel, dass man sich dort versorgen kann.
    Unser Sohn Kym begann in dieser Bucht den Tag mit Holzsammeln für das obligatorische Feuer. Astrid machte sich auf den Weg, um Papaya zu ernten. Ich kletterte in eine Palme und schlug ein paar grüne Wedel für eine Hütte ab. Mit dem Beil rammte ich zunächst zwei Pfosten nahe der Hochwassergrenze in den Sand, legte darüber lange Äste und

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