Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
Vom Netzwerk:
Stunden nicht im Liegen, sondern im Stehen am Niedergang oder vor den Fenstern, die rundum im Aufbau angebracht sind. Beobachtete, wie schaumiges Wasser sich über Deck und Cockpit ergoss. In diesem Sturm wurde die Plicht nur wenige Male gefüllt und auch nur wadentief. Dieser Kurs hatte was von Luftschaukeln. Einerseits musste ich versuchen, die Position zu halten, zum anderen durfte ich Boot, Material und mich nicht überbeanspruchen. Es lagen ja noch 12 000 Meilen gegen den Wind vor mir.
    Bei aller Härte ging es mir noch gut. Das Boot war absolut dicht. Für die Bilge reichte ein Schwamm. Das einzige Wasser, das sich dort sammelte, kam aus den Taschen meines Ölzeugs.
    Als sich der Samstagsturm endlich ausgetobt hatte, blieb es lange bei Westsüdwest 7. Ich setzte ein zweifach gerefftes Groß, und weiter ging es – voll gegen die alte Sturmsee. Das war wie Sandsackboxen. Nicht kritisch, aber wahnsinnig nass. kathena nui kam alle paar Minuten völlig zum Stillstand. Die enormen Wellen, die gegen sie standen, nahmen alle Fahrt aus dem Schiff. Der Bug bohrte sich in die Welle, und ich hatte den Eindruck, sie drückten uns gar ein Stück zurück. Ich notierte:
    Sonntag, 3. Dez. – 112. Tag. Die Sonne scheint. Etwas. Das Deck ist stellenweise trocken. Um etwas für meine Moral zu tun, fasse ich den Entschluss, mich zu ordnen. Sorgfältig reibe ich mein Gesicht trocken, suche neue Wäsche raus, esse eine Schüssel Porridge. Meine Kajüte ist ein Chaos. Überall liegen Papier, Gerümpel, Kleidung. Eine geöffnete Dose Früchte hat den Kocher ertränkt. Und draußen? Diese Wellenberge deprimieren. Kurs und Speed vom Schlechtesten. Bin trotzdem guter Sonntagsstimmung. Gieße mir noch einen Becher Pulverkaffee auf. Hocke damit auf meinem angestammten Platz unten vor dem Kartentisch und träume so vor mich hin. Verliere mich in einem Vakuum des Nichtstuns. Bis, ja, bis es wieder auffrischt. 16 Uhr, Nordwest 7 bis 8. Jeder Sturm beginnt aus der Ecke, Nordwest. Mein erster Blick gilt dem Barometer – gefallen! Und der Druck fällt weiter. In der Kajüte kann ich die Anzeige aus allen Lagen sehen. Gut oder nicht gut? Tatsache ist: Der nächste Tiefdruckwirbel ist im Anmarsch. Der Himmel vergraut. Einheitlich matschig grau. Nieselregen. Nach dem Wind steht bald Welle. Völlig irreal meine Situation. Noch vor Stunden frische Wäsche mit »Hausgeruch«, jetzt in Allwetterkleidung – vom Langschäfter bis zum Südwester –, umgeben von einer graumilchigen See. Ein akzeptabler Kurs ist nicht möglich. Wind – vierkant von vorn. Es ist zum Mäusemelken.
    Ganze 125 Seemeilen war ich in fünf Tagen vorangekommen. Der Zickzackkurs hatte was von Rumkarriolen. Was mich zermürbte, war, dass kein Wind länger als vier bis sechs Stunden die Richtung hielt. Festgeklammert an der Maststütze, nahm ich zur Kenntnis, dass der Luftdruck erneut stetig fiel.
    Wie sollte das enden? Eine Nacht im Stehen und eine zuvor, sporadisch dösend, hatte ich schon hinter mich gebracht. Und jetzt zeichnete sich eine weitere Nacht ohne Ruhe ab. Der Druck fiel wie verrückt. Stunden später war es mit meiner Contenance vorbei. Eine fürchterliche Front zog auf, außerdem stand der alte Seegang hoch und steil. Die Seen legten uns 45 Grad auf die Seite. Dauerschräglage war ich inzwischen gewohnt, doch ich fühlte, dass es diesmal schlimmer kommen könnte. Ich blickte durch die Fenster in Luv. Sturzseen landeten hart und nass an Deck. Ich musste etwas tun. Schnell rutschte ich durchs Klappluk an Deck, barg den Rest Sturmfock und schlug die O-Fock ans Stag. O steht für Orkan. Das orangefarbene Segel hat ganze zweidreiviertel Quadratmeter. Doch gesetzt habe ich es nicht. Ich ging nämlich vor kahlem Mast (ohne Segel) auf Ablaufkurs (in die falsche Richtung).
    Die See war erstmals auf dieser Polarroute teuflisch. Urplötzlich packten die Kämme wie Tatzen eines Urtiers das Schiff, schmissen es förmlich in das nächste Wellental. Alles geschah ohne Vorwarnung. Nicht wie üblich, wo eine oder zwei ungewöhnlich hohe Wellen einer Monsterwelle vorauslaufen. Es waren vor allem die langen Wellen mit sich überstürzenden Kämmen, mit steilen Abbrüchen, die mir Muffensausen bereiteten. Wieder unter Deck, schlug ich das Logtagebuch auf:
    Montag, 4. Dez. – 113. Tag, 15 Uhr. Löcher. (See)Berge. Schaum. Ich habe es mit Gewalten zu tun wie nie zuvor. Einige Seen laufen mit einer Wucht an, als wollten sie uns verschlingen. Wie gelähmt schaue ich

Weitere Kostenlose Bücher