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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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Kap Hoorn. Mit Brassfahrt, bei Nebel und Nieselregen, bei Sturmwind, Fallböen und Hagelschauern durcheilte ich diese berüchtigte Enge in der Nacht. Nur dem GPS-Gerät vertrauend. Stromwirbel und Kreuzseen verursachten Wasserfontänen, die beidseitig des Rumpfes zwei Meter über Deck hochspritzten. Eine gespenstische Atmosphäre verursachte der Regen, es sah so aus, als regnete es von unten nach oben.
    Sonntag, 5. Nov. – 84. Tag. Kap Hoorn runde ich mit moderaten Winden, Hagel und eiskalten stürmischen Böen, die aus allen Richtungen einfallen. Sie kommen so rasch, dass ich es nicht immer schaffe, ins Ölzeug zu springen. Besonders wenn ich aus dem Schlafsackschlummer komme. Finger und Gesicht kribbeln bei zwei bis sieben Grad Luft. Heute neunmal Großsegel gerefft, siebenmal Vorsegel gewechselt, zwölfmal änderte sich die Windrichtung. Spüre, jede Meile muss erarbeitet werden. Ich kriege einen gehörigen Schrecken, als ich durchs Fernglas Kap Hoorn sichte. Zu viel Strecke mit Gegenwind liegt noch vor mir, um in Jubel auszubrechen.
    Denn auch das westliche Seegebiet hinter Kap Hoorn bereitete mir große Sorgen. Zwar war in den nächsten Tagen weiterhin ein schneller Wind unterwegs, doch ich wurde zunächst von heftigen Stürmen verschont. Mein Alltag: die erwarteten Kreuzkurse. Das bedeutete Gischt, Dauerschräglage, Arbeit mit den Segeln. Alle paar Stunden fuhr ich eine Wende. Die Wende war meistens eine Halse. Gegen die Seen kam kathena nui einfach nicht mit dem Bug durch den Wind. Es gab auch Tage, da hatte ich bis zu vierzehn Reffmanöver allein mit dem Großsegel. Die Etmale lagen um die 80 Seemeilen. Mit mehr hatte ich auch nicht gerechnet, da ich, bedingt durch den Seegang, die Segel nicht hoch an den Wind stellen konnte. Dadurch wurde jede Strecke mehr als dreimal so lang.
    Freitag, 1. Dez. – 110. Tag. Um 15 Uhr kachelt es. Wieder. Zum wievielten Male eigentlich in der letzten Woche? Keine Ahnung. Will es auch nicht wissen. Kein Zurückblättern im Logbuch. Analyse und Statistik finden nicht statt. Gedanke: Ich kann doch nicht gleich wieder die Tuche reduzieren. Was ist passiert? Um Mitternacht sind wir runter auf vier Quadratmeter. Alles geschieht sehr zögerlich. Zum Ende hin stehe ich am Mast. Lange. Was soll ich tun? Groß weg oder besser den Rest der Sturmfock? »Ganz schnell«, sagt der Kopf, »sonst wird es kritisch.« Und in der Tat, ein Brecher nimmt mir die Entscheidung ab. Er dreht das Boot, überspült Deck und Cockpit und legt uns bis zu 50 Grad auf die Seite. Ich stehe in Luv bereit. Löse eilig das Großfall, raffe das schlagende Tuch zusammen, bändsele es ein. Schade, damit ist der gute Kurs dahin.
    Mit der gerefften Sturmfock hielt ich 80 Grad zum Wind und machte – vielleicht – zwei Knoten. Bei stürmischer See ist ein Erkennen der Fahrt schwer möglich. Mein Log war schon lange defekt. Mit diesem Sturm begann eine knappe Woche der Kaltfronten. Wir befanden uns auf 46 Grad südlicher Breite und 108 Grad westlicher Länge. Und ich hatte den Eindruck, die 40er sind schrecklicher als die 50er Breitengrade, denn die hatte ich nach »Zeitplan« durchsegelt. Immer mit Tuch, auch wenn manchmal nur mit wenigen Quadratmetern. Nie wurde ich zurückgeworfen. Ein Verdienst meiner »Munition« – viele kleine Sturmsegel.
    Eine unschätzbare Hilfe war die Aries, meine mechanische Selbststeueranlage. Sie wirkte, so am Heck festgeschraubt, unanfechtbar, kampfstark, unerschrocken. Sie war es, die mir diese Fahrt überhaupt ermöglicht hat. Bei jedem Wetter hielt sie Kurs. Ich schrieb in mein Logtagebuch:
    Samstag, 2. Dez. – 111. Tag. Sturmböen mit 10. Handgemessene Windstärke 10, das sind immerhin 50 Knoten. Aber es sind halt nur Böen. Zwei Minuten lang, auch mal fünf, ganz unterschiedlich. Und noch immer steht die gereffte Sturmfock. Sie stabilisiert Boot und Kurs. Fahrt voraus mache ich damit nicht. Das ist auch unwichtig, solange ich das Gefühl habe, alles für die Sicherheit getan zu haben. Die Seen sehen zwar gefährlich hoch aus, doch es fehlt ihnen das Bedrohliche, sie sind nicht steil.
    Was machte ich in solchen Situationen? Nachdem der Kurs mithilfe der Aries eingestellt, die oder das Segel getrimmt waren, verholte ich mich unter Deck. Das Niedergangsluk wurde mit einer Talje verzurrt. War ich ausgekühlt, gab’s Kaffee oder Kakao – oder beides vermischt. Dabei genoss ich das Gefühl, überhaupt noch kochen zu können.
    Natürlich verbrachte ich diese

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