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Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Titel: Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel & Kimche AG
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tritt an seinen Tisch und blättert in einer blauen Mappe, versehen mit dem Namen Rafael Reátiga Rojas, dahinter ein Kreuz.
    Immer dünner sei er geworden im Lauf der Jahre, sagt der Bischof, unter Sauerstoffnot habe Pfarrer Reátiga gelitten, vor allem nachts, ein furchtbares Leiden, beladen mit Angst und Panik.
    «Am Morgen nach seinem Tod ging ich in Reátigas Zimmer hier nebenan und fand die Sauerstoffmaske, die er im Schlaf jeweils trug.»
    Monseñor, was fanden Sie noch?
    «Nichts.»
    «Reátiga schluckte Valcote und Melatonin: gegen Aids», sagt die Staatsanwältin, ihre Hand, die Nägel spitz und rot, auf Fall 2011-00324, Caso Sacerdotes, der Fall der Priester.
    Und der andere, dieser Píffano, zischt sie jetzt, der habe an Hepatitis gelitten, möglicherweise, aber das sei nicht erwiesen, hervorgerufen von Treponema pallidum, jenem Bakterium, das auch Syphilis mache.
    «Sodom und Gomorra am Äquator!»
    Dann schüttelt sie das blonde Haar und lacht, dass es hallt in der kleinen Sala de Juntas im zweiten Stock der Staatsanwaltschaft zu Bogotá.
    Vielleicht, Señora, hatte Reátiga Píffano angesteckt?
    Patricia Larrota, Unidad Nacional contra el Terrorismo, schiebt die Schultern hoch, die Lippen.
    An Weihnachten 2010, einen Monat vor seinem Tod, empfing Richard Armando Píffano, zehn Kilo leichter als noch vor einem halben Jahr, seine ältere Schwester und ihre zwei Söhne, angereist aus Cúcuta, Norte de Santander. Schick sie zur Armee, sagte Píffano, mach Soldaten aus deinen Kindern, nicht Priester, denn nicht nur Mädchen sind gefährdet in dieser Welt, auch Jungs, schick sie zur Armee. Gemeinsam gingen sie hinüber in die Kirche San Juan de la Cruz, Stadtteil Kennedy, lasen die Schrifttafeln, die im Torbogen hängen, Hut ab!, Handy aus!, Kaugummi raus!, und feierten Heiligabend, Pfarrer Richard Armando Píffano am Altar, seltsam bleich. Dann schenkte er den Neffen Uniformabzeichen und Berge von Schokolade, lud sie ins Kino ein, Centro Mayor, vierzehn Säle unter einem Dach.
    Beim Abschied, kurz vor Neujahr, reichte Píffano der Schwester eine kleine Truhe aus dunklem Holz. Nimm das zu dir, das brauch ich nicht mehr. Im Flugzeug öffnete sie das Kästchen, fand darin zwei Rosenkränze, vier schmale lange Löffel, mit denen sein Vater einst Eier aß, Fotos der Familie, ein Foto von Reátiga, ein Stück der eigenen Nabelschnur, dürr und brüchig.
    In seiner Bibel, Buch Kohelet, Kapitel 7, unterstrich er die Verse 16 und 17: Halte dich nicht zu streng an das Gesetz, und sei nicht maßlos im Erwerb von Wissen! Warum solltest du dich selbst ruinieren? Entferne dich nicht zu weit vom Gesetz, und verharre nicht im Unwissen: Warum solltest du vor der Zeit sterben?
    Reátiga und Píffano waren verzweifelt?
    «Was sonst?», sagt die Staatsanwältin.
    «Wäre mein Priester verzweifelt gewesen, hätte er mir davon erzählt», spricht der Bischof sanft.
    Am 6. Januar 2011 suchte Rafael Reátiga Rojas, Ohren wie Flossen, Pfarrer an der Kathedrale Jesucristo Nuestra Paz, mehrere Notariate heim und überschrieb, was er besaß, seiner Mutter in Bucaramanga, Santander.
    Richard Armando Píffano, Pfarrer von San Juan de la Cruz, Lehrer am gleichnamigen Colegio, Freund jeder Ordnung, listete auf, was ihm persönlich gehörte, vier Seiten lang, Inventario, schrieb er am Computer, Identificación 13.411.913: 1 Foto mit Bischof, 1 Foto von Priesterweihe, 1 päpstlicher Segen, 1 Bett (1,40 m, Holz), 1 Agenda Palm Tungsten E2, 1 Handy Nokia C3, 1 Handy Nokia E72, 1 Ultra FIT-Abdominator, 1 Messgewand grün mit Stola, 1 Messgewand rot mit Stola, 1 Messgewand weiß mit Stola, 1 Christus, 1 Jungfrau von Guadeloupe, 1 Guter Hirte (Holz), 1 große Weihnachtskrippe, 1 kleine Weihnachtskrippe, 7 Erzengel, 1 Heilige Martha, 1 Nähmaschine Singer, 1 Rasierapparat Philips (mit Etui).
    Irgendwann am Vormittag des 25. Januar 2011, Dienstag, traf Reátiga einen Mann, der sich Gallero nannte, Hahnenkämpfer, Isidro Castiblanco Forero.
    Woher, Señora, kannte er ihn?
    Patricia Larrota verwirft die Hände.
    Zu vermuten sei, sagt die Staatsanwältin, dass die beiden sich kurz zuvor kennengelernt hätten, vielleicht auf der Straße, in einem Laden, vielleicht im Beichtstuhl. Zu vermuten sei außerdem, dass der Pfarrer und der Hahnenkämpfer an jenem Dienstag die Nummern ihrer Handys tauschten.
    Kurz vor 16 Uhr saßen Reátiga und Píffano im dritten Stock des Centro Mayor, des größten Einkaufszentrums Kolumbiens, des drittgrößten

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