Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

daran. Für andere war es kurios, ja. Das habe ich einfach benutzt. Das war ich. Es war nicht so, dass ich / also / dass ich sagte, ich spiele das / das war ich, ich habe das voll verinnerlicht / und dann über mich selber gewundert, als die Wände langsam einbrachen / es peu à peu Risse gab / die Wand plötzlich zusammenfiel, und dann denkt man, Moment, vor einer Woche hast du noch das und das gemacht, und jetzt findest du es idiotisch / oder zumindest lag dann kein Grund mehr vor, so weiterzumachen.
    Schämten Sie sich?
    Für nichts schäme ich mich, ich schäme mich für keinen Exzess / das war so / ist nun vollkommen egal / würde nichts mehr daran ändern. Ich schäme mich nicht für meine radikalen politischen Positionen / noch für mein Anarchistentum / im Gegenteil, viele meiner frühen Aktionen empfinde ich heute beinahe als seherisch / die haben also ihre Bestätigung erfahren / gerade mit dem nötigen Abstand, den die Kunst auch braucht.
    Er war einundzwanzig und lud, wie es üblich war unter seinesgleichen, zu Aktionen. Immendorff bat Freunde in die Anderthalbzimmerwohnung, Beuys dabei, die Aktion hatte einen Namen, Frisches . Den Gästen war befohlen, ein Kunstobjekt mitzubringen. Und so traten sie ein, an der Wand Immendorffs Kunst, pausbäckige fette Säuglinge in Dispersion, Hapmi lieb , Teine Tunst mache , Bä Tunst bä , Leinwand, 155 x 155 cm, Immendorff empfing im Flur und trug eine Babymaske, war Baby und klebte den anderen Zettel auf die Schulter, darauf das Wort Frisches. Beuys brachte Filz mit und las einen Speiseplan vor, dann setzten sich alle auf ein großes schwarzes Tuch, das Tuch hieß Versammlungsobjekt, einmal, Aktion Reigen , hielten sie sich zu fünft an den Händen, wieder mit Beuys, der auf dem Rücken Filz trug, sie fotografierten sich und erließen ein Manifest, Die Kräfte vereinen, Positionen stärken . Einmal, wieder als Baby, kletterte Immendorf auf eine Leiter und warf Blumen ins Publikum, am Boden lagen große Buchstaben, die, zusammengesetzt, das Wort Vietnam ausmachten, einmal umgab Immendorff ein Aktmodell mit Brettern und Papier, Aktion Verbaut die Modelle , bis die Mitschüler, die zeichnen sollten, sich wehrten, einmal verkleidete er sich, der jeden Morgen, wenn er zur Akademie ging, die gleiche Amsel zu erkennen glaubte, als Amsel, einmal stellte er ein Bild vor die Tür des Ateliers, schnitt es auf, und wer in den Raum wollte, musste durch den Schlitz. Erweiterung des Kunstbegriffs.
    Esst deutsche Äpfel , 1966.
    Das Bild muss die Funktion der Kartoffel übernehmen , 1966.
    Deutsche Nichtschwimmer ins Wasser , 1966.
    In Vietnam war Krieg, Immendorff malte dagegen, seine Dispersionskindchen trug er bei Umzügen mit, er war Maoist, tief gläubig, trug schwarzes Leder und Armbinde, darauf Hammer und Sichel. Laut, eitel und schlagfertig genug, bannte Immendorff aus der Clique, wer rechts abwich, Funktionär Immendorff, er malte Sprüche, kaum noch Bilder, malte eine Petition gegen den Vietnamkrieg. Ein Jahr später, 1967, erfand er, vom Babylallen hergeleitet, sein eigenes Aktionsprogramm LIDL, LIDL will nicht protestieren, aber erzieherisch provozieren, er glitt, zusammen mit seiner ersten Frau, in einen Honigtopf und ging dann, Hand in Hand, durch einen Raum, Honigspuren – vom künstlerischen Blickwinkel aus ist es eine ideelle Spur, die den Betrachter ankleben lassen soll. Die Schildkröte war das Wappentier der Bewegung – sie ist geeignet zu beschreiben, dass künstlerische Arbeit das ganze Leben überdauert, dass man im Grunde viel Zeit hat. Immendorff lud sich ein Exemplar auf den Rücken und erschien, ohne eingeladen zu sein, in Kassel an der Dokumenta, 1968, bei der Pressekonferenz, die er hielt, stieg er auf den Tisch und kippte Honig über das Mikrophon.
    Herr Immendorff, Ihr Vater war Offizier, Ihre Mutter Sekretärin – was war schlimmer?
    Er strich einen hölzernen Klotz in den Farben der Republik, band ihn sich ans Bein und schleifte das Ding, ein akustisches und optisches Instrument wider den Titan der Macht, über die Bannmeile vor dem Bonner Bundeshaus, Fernsehen und Presse waren geladen, Polizisten fuhren vor, Immendorff empfahl sich der Regierung als neuer Verteidigungsminister. Schließlich rief er eine eigene Lehranstalt aus, die LIDL-Akademie, die Professoren der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf erklärte Immendorff für abgesetzt, selbst Beuys, er steckte die LIDL-Fahne aufs Dach des Hauses, so sichtbar, dass der Kultusminister