Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten
Eimer zeigte einen Knaben mit riesigem Penis, sich selbst erlösend, ein erster kleiner Skandal, Hauptsache, fand Immendorff, man schreibt meinen Namen mit zwei F, die Welt ist Bühne. Immendorff, um zu überleben, malte Bierdeckel an und verkaufte sie, er wusch Autos, war Kellner, und die Ehe erschöpfte sich schnell. Als Teo Otto, der Lehrer, Geburtstag feiern wollte und die Schüler sich anschickten, den Festraum zu schmücken, weigerte sich Immendorff, seine Werke herzugeben, Immendorffs Kunst ist nicht Dekoration, bemalte Autotüren, bemalte Fensterläden, Immendorff, auf Druck, verließ die Klasse und wechselte zu Joseph Beuys, Ikone des Kunstbetriebs, 1964, Raum 19 der Kunstakademie Düsseldorf, Immendorff bekam eine Ecke zugewiesen und steckte sie schnell mit drei Milchtüten ab, auf den Milchtüten viele Punkte, aus einer Leinwand schnitt der Neue eine Toilettenmatte und legte sie vor Raum 19, damit jeder, der ins Zimmer wollte, darüber gehen musste, Jörg war neunzehn, verehrte und fürchtete Meister Beuys, malte ihn immer wieder, mit Sternenmantel oder Fliegerjacke, Beuys als Schwimmer, als Nichtschwimmer, nie ohne Hut, was Beuys lobte, bewahrte Immendorff auf, was er tadelte, überstrich er, Immendorff rief sich zum Beuysritter aus, 1965, mit Kartonschwert und weißem Hemd posierte er einem Fotografen. Und eines Tages steckte ein Bauarbeiter ein Lackbild, das Immendorff in der Akademie liegen hatte, in einen Kabelschacht, um ihn abzudichten, Immendorff, nach Stunden der Beruhigung, schuf daraus eine Aktion, Andere mögliche Funktion eines Bildes , denn die Einsicht, dass ein Bild auch zur Dichtungsmasse taugte, war ihm Antithese zum Usus, Bilder an die Wand zu hängen, um sie anzuschauen. Immendorf lud den Bauarbeiter ein, rote Linien auf einen weißen Grund zu streichen und, schwarz, seinen Namen hinzuzusetzen, Gansäuer, Herr Gansäuer strich rote Linien auf weißen Grund, schrieb seinen Namen, Immendorff gab die Worte hinzu: Deutsche Maurer malen gut. Immendorff, immer kräftig und grob, malte das Werk Malt Adler , einen gelben Adler im Hochformat, er malte das Bild Deutscher Pass , die Fahne der Republik, das Wort Immendorff im gelben Feld, Immendorff malte Zinnsoldaten, Zuckerwürfel, Kekse, Nagelfeilen, Manöverkarten, Jörg war neunzehn, zwanzig, er malte Mickeymäuse, Entenhausen, für Mona Schwana – Beuys als Mona Lisa – bezahlte der Lehrer dem Schüler zweihundert Mark. Immendorff bahrte ein Bild unter den tropfenden Wasserhahn, Nichtschwimmer , eine ganze Woche lang, Kunst darf alles, Immendorff war stolz, dass keiner seiner Mitschüler Adler malte. Und eines Tages, unzufrieden vor einem Werk stehend, Kunstharz auf Leinwand, 135 x 135 cm, griff er zornig zum Pinsel, strich ein X aufs Gemälde, rot, blau, und den Befehl: Hört auf zu malen. Beuys sprach: Superbild.
Gibst du mir mal kurz ne Zigarette, Markus?
Ein Gehilfe eilt, steckt Immendorff eine Zigarette in den Mund, zündet sie an.
Es ist nun nicht so, dass ich jeden Tag mit dem Gedanken an den Tod verbringe. Eher ist es auch etwas Befreiendes, ich meine / bin da irgendwie / glaube ich / auch privilegiert, weil ich, dem Tod so nahe, mich mit ihm beschäftigen muss. Ich bin zu sehr noch hier / es gibt ja dumme Tode, wo man denkt, was soll der Quatsch? / Aber / ja / ich bin zu sehr noch hier, und je mehr ich dieses Hier bejahe, macht das Jenseits mehr Sinn. Es ist ja nicht eine Treppe, die immer goldener wird, die unten hölzern anfängt und oben mit Gold endet / vielleicht ist ja die erste Stufe aus Gold und die letzte aus Holz / mit sehr viel Mist dazwischen, ich weiß es nicht / aber ich denke, je intensiver man lebt / wenn ein Tag intensiv ist, speist sich etwas Anderes, ich meine, warum habe ich das Foto von Beuys über meiner Tür hängen? Oder den Mao? Sicher nicht als religiöse Veranstaltung, sondern / weil mich das an Dinge erinnert, die mich weiterhin befassen / und ausmachen, aber doch auch sie, den Beuys und den Mao, weiter aufladen. Ja / selbst die jenseitigen Energien speisen sich von den Eindrücken, die man hinterlässt. Das wäre auch ein guter Grund, sich halbwegs anständig zu benehmen auf der Erde, damit / damit man / gute Chancen hat, für sich weiter zu glühen. Und wer sagt denn, dass das gesunde Ansichdenken etwas Schlimmes ist?
Herr Immendorff, wer füttert Sie?
Füttern! – Verächtlich wiederholt er das Wort.
Immendorff schweigt, sucht seine Antwort.
Ich verteidige mein Territorium so gut es geht.
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