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Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Titel: Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel & Kimche AG
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Gewisse Sachen / da muss man lernen, Hilfe anzunehmen, ob einem das passt oder nicht. Das ist nicht immer lustig / ja / auch von den Leuten, die es gut meinen mit einem, also / also das ist es / glaube ich / was mich eigentlich nervt, also nicht das Endliche, das ist / ist zwar auch ziemlich unverschämt, aber das ist so.
    Wer zieht Sie an?
    Bart und Haar sind grau und kurz, über den Schädel zieht sich eine dicke Ader.
    Das geht mir zu weit, sagt der Mensch Immendorff, laut und fest, nicht herrisch, vielleicht traurig oder müde.
    Amyotrophische Lateralsklerose! – er war dreiundfünfzig, verliebt in seine Schülerin Oda Jaune, dreiundzwanzig, Bulgarin, schön. Er schaltete sich ins Internet, las, was über seine Krankheit geschrieben stand, Gendefekt, durchschnittliche Überlebensdauer drei Jahre, der Geist bleibt unversehrt bis zuletzt, sechstausend Betroffene in Deutschland, zu uninteressant für die Pharmaindustrie. Die Universitätsklinik Düsseldorf tippte auf eine Erkrankung des Immunsystems. Kurze Hoffnung. Immendorff reiste nach München und ergab sich einem Arzt, der ihm Mengen von Blut entnahm, das Blut einer Behandlung aussetzte und es Immendorff wieder in den Körper pumpte, Immendorff wurde wütend, vergaß sich und schrie. Man maß die Nervenleitgeschwindigkeit, maß dies und das, die Schritte, kaum merkbar, wurden unsicher, der linke Arm, der Malarm, schwach, Immendorff malte nun rechts. Am 1. Juli 2000 heiratete er die Schülerin.
    In Tiflis, Georgien, lernte er den Bundeskanzler Schröder kennen, der, auf Staatsbesuch, auch Immendorffs Ausstellung heimsuchte, die Männer gefielen einander, und auf dem Rückflug fragte Schröder Immendorff: Hast du nicht Lust, mein Porträt zu malen?, das Bild kam nie zustande. Immendorff, selten leise, lärmte in einer Zeitung: Bei der Reputation, die ich ständig von China bis Mexiko für mein Land einfahre, müsste ich von der Bundesregierung eigentlich pausenlos Schecks für PR kriegen. Er vernahm von einer Russin, die geistigen Zutritt habe zu Unzugänglichem, Immendorff bat um Hilfe, ein russischer Arzt war zugegen, man vollzog ein Gemisch aus Gebet und Reinigung, die Schritte immer kürzer.
    Am 13. August 2001 gebar Oda Jaune ein Mädchen, im November durfte Immendorff mit Schröder nach Indien und China, die Krankheit fiel nicht auf, Immendorff, begleitet von seiner Frau, reiste zu Ärzten nach Berlin, nach New York. Er warb für Herrenanzüge der Marke Windsor und schimpfte in den heimischen Blättern, unhistorisch sei es, keins seiner Werke in den Reichstag zu hängen. Und eines Tages rief ein Journalist an, man wisse, dass Immendorff unheilbar krank sei, ob er dazu etwas sagen möchte, Immendorff fühlte sich erpresst und redete. Schließlich, 2003, reiste er nach Brasilien in den Urwald zu einem Schamanen und setzte sich zu Dutzenden, die Erlösung suchten, Immendorff sollte meditieren, er schloss die Augen und tat das Mögliche, er sollte kein Schweinefleisch mehr essen, sich in keine Frau versenken, der Wundermann sah Immendorff an und sprach, so hieß es, mit den Stimmen Heiliger, er schrieb Seltsames auf Papier, ein Rezept für Kräuter, der Wundermann, so hieß es, operiere spirituell. Nach dem Eingriff lag Immendorff drei Tage lang erschöpft im Bett, Rückkehr nach Deutschland, Stephanienstraße, Düsseldorf, Rollstuhlaufzug im Treppenhaus.
    Das Telefon.
    Wenn das Rosa ist, muss ich sie kurz sprechen.
    Eva, die blonde Gehilfin, legt Immendorff den drahtlosen Hörer hin, die Stimme einer Frau, die sich entschuldigt, dass sie erst jetzt zurückrufe.
    Rosa, sagt Immendorff, Schröder soll die Ausstellung in der Nationalgalerie eröffnen, 22. September, 18 Uhr, kannst du ihm das sagen?
    Eva, befiehlt Immendorff, schick dem Kanzleramt einen Brief, 22. September 2005, 18 Uhr, Nationalgalerie, Schröder soll reden.
    Bitte!, befiehlt er.
    Herr Immendorff, was prägte Ihre Kindheit am stärksten?
    Immendorff, so gut es geht, richtet sich auf in seinem blauen hohen Stuhl, der auf hölzernen Klötzen steht, festgeschraubt im Boden des Ateliers.
    Die Scheidung! Die Scheidung meiner Eltern. Und das Sicheinrichten, ich musste mein Leben einrichten / erfinden.
    Sie waren Dandy, Maoist, Anarchist, Lehrer, Rocker, Malerfürst, Professor, Gatte, Vater, Sie ließen wenig aus – spielten Sie Rollen?
    Immendorff sagt, ich habe nicht von einem Fach ins andere gewechselt / welchem Affen gebe ich heute Zucker? / Zum Teil war es Kalkül, andererseits denkt man nicht

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