Von Feuer und Nacht
unterschei- den sollte.
Vao'sh hob ein Diamantfilm-Blatt so, als fürchtete er, sich daran die Finger zu verbrennen. »Geheimnisse in Geheimnissen innerhalb von Geheimnissen.« Die Färbung der Haut läppen brachte Abscheu zum Ausdruck. »Die Verlorene Zeit war nie wirklich verloren. Es sollten nur die Aufzeichnungen über den alten Krieg gegen die Hydroger versteckt werden. Wir glaubten, dass alle Erinnerer starben und jener Teil der Geschichte für immer in Vergessenheit geriet. Aber das stimmt nicht! Der Weise Imperator brachte sein Volk dazu, den ganzen Konflikt nach einigen Generationen zu vergessen.« Vao'sh sah aus, als müsste er sich übergeben. »All die Dinge, die man mich lehrte ... Vieles davon entspricht nicht der Wahrheit. Das gilt auch für die Verlorene Zeit!« Anton war daran gewöhnt, dass Historisches nachträglich geändert oder sogar erfunden wurde, und er fühlte sich davon nicht so angeekelt wie Vao'sh. Ganz im Gegenteil: Er spürte das Prickeln neuer Aufregung. »Sind deshalb die Shana Rei als Ersatzfeind erfunden worden? Um die Lücke in der aufgezeichneten Historie zu füllen?«
»Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.« Vao'sh las den Text noch einige Male und legte das Blatt dann beiseite. Anton blickte über die Schulter seines Freunds und Kollegen. Der Erinnerer schien bestürzt zu sein und nicht noch mehr lesen zu wollen, doch die Anweisungen des Weisen Imperators zwangen ihn, tiefer zu graben, auch wenn er Dinge fand, die sein Weltbild erschütterten. Anton hatte Mitleid mit ihm.
Vao'sh starrte auf ein anderes Diamantfilm-Blatt und schien zu befürchten, dass es gleich in Flammen aufging. »Nach diesen Worten zu urteilen, Erinnerer Anton, haben die Shana Rei vielleicht tatsächlich existiert.«
77 KON IG PETER
»Dieser Mistkerl!« Peter wusste, dass er eigentlich nicht überrascht sein sollte. »Dreimal verfluchter egoistischer Mistkerl! Er will uns umbringen.« Der treue Lehrer-Kompi wartete vor König und Königin, die sich gerade seine Aufzeichnung des Gesprächs zwischen Basil und Prinz Daniel angehört hatten. Seit Tagen stand Peter nach Basils Anweisungen im Königlichen Flügel praktisch unter Hausarrest, doch OX konnte sich frei im Flüsterpalast bewegen. Er hatte fast jedem König in der Geschichte der Hanse gedient.
Basil Wenzeslas behandelte Kompis und Untergebene immer so, als wären sie nicht mehr als Möbelstücke. Er achtete nicht auf OX und vergeudete keinen Gedanken daran, dass der Lehrer-Kompi vielleicht nicht mit seinen Plänen einverstanden war. Der stellvertretende Vorsitzende Cain hatte OX
bereits zweimal benutzt, um sehr vorsichtig formulierte Botschaften zu überbringen.
Sie waren allein im Königlichen Flügel und standen neben einem Springbrunnen, dessen beständiges Plätschern eventuellen Lauschern erhebliche Probleme bereiten würde. OX hatte die lokalen Abhörvorrichtungen lokalisiert und deaktiviert, was bedeutete: Peter und Estarra konnten an diesem Ort auf ihre geheimen Handzeichen verzichten. Estarras Gesicht zeigte sowohl Sorge als auch Entschlossenheit. »Jetzt, da Daniel wieder wach ist ... Wie viel Zeit bleibt uns?«
»Basil wird aktiv, wenn er eine Möglichkeit findet, die nicht viel Staub aufwirbelt.« Peter sah in das ausdruckslose Polymergesicht des Kompi OX.
»Aber zuerst muss er sicher sein, dass Daniel wirklich eine bessere Alternative ist. Uns wird er vermutlich erst dann strenger überwachen und kon trollieren, wenn er seine Pläne in die Tat umsetzt. Ich schätze, wir haben noch mindestens einige Tage.«
»Er weiß nicht, dass wir gewarnt sind«, flüsterte Estarra. »Das gibt uns einen Vorteil.«
Peter strich ihr übers Haar. »Basil hat die TVF-Schiffe von den Kolonien zurückgezogen, wodurch sie völlig schutzlos sind.« Er schnitt eine Grimasse. »Die Hydroger können sie ganz nach Belieben auslöschen und dann hierherkommen. Das Ende der Menschheit steht bevor. Vom Beginn dieses Krieges an hat Basil alle für entbehrlich gehalten, abgesehen von sich selbst.«
In Estarras Zügen zeichnete sich deutliches Unbehagen ab. »Ich sage dies nicht gern, Peter, aber was ist, wenn der Vorsitzende recht hat? Welche andere Wahl hat er? Er hat den größten Teil der Terranischen Verteidigungsflotte verloren, und was von ihr übrig ist, reicht nicht, um die Hydroger aufzuhalten. Was ist, wenn Basil Wenzeslas die richtigen Entscheidungen getroffen hat?«
»Vielleicht hat er die richtigen getroffen, aber auf die falsche Weise.«
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