Von Feuer und Nacht
Ehrfurcht, dann Hoffnung, und jetzt dieser schreckliche Preis. Solimar drückte ihre Schulter in dem vergeblichen Versuch, sie zu trösten. »Du musst sie gehen lassen, Celli. Unsere Zukunft hängt davon ab.«
Sie hörte die Worte kaum. Die Freiwilligen wirkten auf eine ruhige Art und Weise entschlossen und akzeptierten ihr Schicksal weitaus bereitwilliger, als es Celli möglich gewesen wäre. Sie begriff, dass die grünen Priester bereits alles im Telkontakt beschlossen hatten, in einem Gespräch, an dem kein Therone teilnehmen konnte. Aber was war mit ihren Familien und Freunden?
Andererseits: Was war mit dem Krieg und dem Überleben von Theroc? Celli hasste die Notwendigkeit einer Wahl, die eigentlich gar keine Wahl war. Niemand gab ihr bei dieser Sache ein Mitspracherecht.
Sie sah ihren Bruder an und bemerkte die Sehnsucht in seinem Gesicht aus lebendem Holz. Er erwiderte ihren Blick, und Celli dachte an die Zeit, die sie mit Beneto verbracht hatte, dem wahren Beneto. Und auch mit diesem.
Ein Fleck erschien an einem hölzernen Auge: Feuchtigkeit, die aus dem Holz trat, wie eine Träne. Der Tropfen rann über die harte, gewölbte Wange. Beneto trat durch die Öffnung ins Schlachtschiff der Verdani, und hinter ihm schloss sich der Riss.
Solimar hielt Celli stumm in den Armen. Sie erzitterte, fühlte seine Kraft und war ihm dankbar. Er blieb da, bereit für den Baumtanz mit ihr, als Freund und vielleicht auch als Geliebter. Ihnen standen viele Möglichkeiten offen ...
»Ich muss dir etwas sagen, Celli...« Solimars Worte klangen laut in der Stille. »Ich habe mich ebenfalls als Freiwilliger dafür gemeldet, mit einem der Schiffe zu verschmelzen.«
99 NIRA
Im Gegensatz zu den Schrecken auf Dobro war der Flug nach Ildira voller Freude und Liebe, voller Erinnerungen und Erleichterung. Doch Niras Herz war nicht das gleiche wie früher.
Die Nachkommen der Burton-Siedler würden die Möglichkeit erhalten, eine echte eigene Kolonie auf dem Planeten zu gründen, den sie vor Jahrhunderten hatten besiedeln wollen, vor dem Verrat. Hoffnungen und Träume konnten aus den kleinsten Samen sprießen, aber was nützte das, wenn schließlich die Hydroger kamen und alles vernichteten?
An Bord des Schiffes erzählte Nira Jora'h von den Jahren der Leere. Sie erhob keine direkten Vorwürfe gegen ihn, aber die ursprüngliche Freude wich einer gewissen Distanz.
»Ich schwöre dir, dass ich in all den Jahren nicht wusste, wo du warst«, betonte Jora'h noch einmal. »Ich hatte keine Ahnung, dass du noch lebst.«
»Ich war bereits mit unserer Tochter schwanger, aber sie schlugen mich.« Nira atmete tief durch. »Man nahm mir Osira'h weg, und als ich wieder fruchtbar war, vergewaltigte mich der Designierte Udru'h so oft, bis ich erneut schwan ger wurde. Anschließend gab es weitere Väter, noch mehr Qualen und mehr Schwangerschaften. Die armen Kinder. Ich bin froh, dass wir sie retten konnten.«
»Ich wusste nicht, wo du warst«, wiederholte Jora'h.
»Aber du musst von den anderen Gefangenen im Zuchtlager gewusst haben!« Niras Stimme gewann einen scharfen Klang. »All die Menschen, die missbraucht wurden, über Generationen hinweg. Du hast gewusst, was dort geschah.«
»Das Programm wurde begonnen, lange bevor mein Vater den Thron bestieg. Ich erfuhr erst nach seinem Tod davon.« Die Worte blieben Jora'h fast im Hals stecken. »Er beging Selbstmord, um mich daran zu hindern, dich zu finden. Und als ich den Dobro-Designierten anwies, dich freizulassen behauptete er, du wärst tot«
»Du hättest ihm nicht glauben sollen.« Nira hörte die Schärfe in ihrer Stimme. »Du bist der Weise Imperator! Du berührst die Gedanken aller lebenden Ildiraner, und doch hast du dich von deinem eigenen Bruder täuschen lassen? Wie vielen Personen hast du gestattet, dich zu belügen, Jora'h?«
Jora'h ballte die Hände zu Fäusten. »Direkt nach der Hyrillka-Rebellion kam Udru'h wie ein Büßer zu mir und gab zu, dass du noch lebst. Er muss gewusst haben, dass ich die Wahrheit herausfinden würde. Ich habe nicht einmal an die Möglichkeit gedacht, dass Udru'h mich täuschen würde. Oder mich täuschen könnte.«
»Ich habe genug Lügen für zehn Leben gehört«, sagte Nira. »Der Gedanke an dich erhielt mich am Leben. Ich habe nach dir gerufen, von dir geträumt. Im Zuchtlager hätte ich alles gegeben, nur um dich zu sehen. Ich ... liebe dich, Jora'h.« Sie senkte den Blick. »Aber ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich dir vertraue.«
Sie
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