Von Flammen verzehrt
gewünscht, unsichtbar zu sein. Von der grausamen Welt nicht wahrgenommen zu werden und von den Kerlen, für die sie sich auszog, nicht wirklich gesehen zu werden. Schon als Kind hatte sie versucht, sich vor ihrem aggressiven Vater oder ihrer betrunkenen Mutter zu verstecken. Hatte immer so getan, als wäre sie Luft, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.
Gesehen zu werden, bedeutete bisher immer Schmerz. Also war sie, soweit es ging, unsichtbar durchs Leben geschlichen.
Aber jetzt, in genau diesem Moment, wünschte sie sich nur eines: dass Julien Colombier sie ansah und dabei die Fay wiederfand, die sie irgendwann vor lauter Angst aufgehört hatte zu sein. Sie wollte, dass er sie sah … und erkannte, wie sehr sie ihn brauchte, wie sehr sie sich nach ihm sehnte und wie sehr seine Distanz sie schmerzte. Er sollte erkennen … dass sie ihn liebte.
Sie hob die Hand, streckte sie ihm entgegen – und ließ sie wieder sinken.
Unsicher strich sie sich die Haare aus dem Gesicht.
„Julien, bitte … bitte, sprich mit mir“, flehte sie, und tatsächlich hob er seinen Blick.
Seine Augen – es war, als hätten dunkle Gletschermoränen alles Weiche darin unter sich begraben. Als hätte es nie eine Möglichkeit gegeben, den kristallklaren Grund des Gletschers zu ergründen.
„Deine Schwester wird frei sein“, stellte er klar und drehte ihr den Rücken zu, als sei damit alles gesagt.
„Danke, Jul …“
„Bedanke dich bei Lamar. Du weißt, wie ich entschieden hätte.“
Fay schüttelte verzweifelt den Kopf.
„Nein! Ich bedanke mich bei dir! Du bist es, der die Entscheidungen trifft, egal, was Lamar sagt.“
Wütend drehte Julien sich wieder zu ihr um.
„Stimmt! Da hast du verdammt recht! Ich muss mit dem Wissen leben, dass es meine Entscheidung war, dem Feind die Wahrheit zu überlassen – welche Folgen auch immer das haben wird! Du hast keine Ahnung, Fay, was das bedeutet!“
„Aber …“
„Nein, Fay! Du wolltest, dass ich mit dir rede, dann hör jetzt zu! Meine Männer folgen mir, weil ich ihnen nie Grund gab, an mir zu zweifeln. Sie vertrauen mir, weil wir seit Jahrhunderten vereint sind in unserer Mission, die Wahrheit zu schützen, damit der Frieden bestehen bleiben kann.“
Er kam näher, und sein Atem strich über Fays Wange.
„Weißt du, wie viele Leben wir dafür gelebt haben? Was wir uns verweigert haben? Welche Wunden wir dafür in Kauf genommen haben?“
Fay wollte ihn trösten, aber sein Zorn hielt sie zurück.
„Und dann kommst du …“
Er schüttelte den Kopf, als verstünde er sich selbst nicht.
„… und machst einen Narren aus mir. Zeigst mir mit deinem Lächeln, was ich mir wünsche, wonach ich mich sehne und dass ich gerne auf Hunderte von Leben, die noch vor mir liegen, verzichten würde, um eines zu haben, das ich mit dir verbringen kann! Du lässt mich in einer Nacht in deinen Arme meine tausendjährige Überzeugung vergessen und machst mich zum Verräter meiner Brüder.“
Julien fasste sie an den Schultern, und Schmerz lag in seinem Blick.
„Du bist enttäuscht, weil ich dies alles nicht aus freien Stücken tat? Du bist sauer, weil ich meine Verantwortung über das Drängen meines Herzens gestellt habe, um mir vorzumachen, ich wäre stärker und besser, als ich es in Wirklichkeit bin?“
„Nein, Julien! Ich bin nicht böse. Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe. Meine Schwester so zu sehen … ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.“
Sie legte ihm ihre Hände auf die Brust.
„Kannst du mir verzeihen?“, fragte sie und hoffte auf Vergebung in seinem Blick, aber er schüttelte den Kopf.
„Dir verzeihen? Ist es das, was dir Sorgen macht?“
Er lachte hart auf, und es vibrierte unter Fays Fingern.
„Ich kann mir nicht verzeihen, Fay. Ich kann mir nicht vergeben, dass mir die Wahrheit , die Mission und meine Brüder nichts bedeuten, wenn ich dafür nur dich in meine Arme schließen kann! Was für ein erbärmlicher Mensch bin ich, Fay, wenn ich alles verrate, wofür ich stehe, nur um dich glücklich zu sehen? Ich bin ein noch viel größerer Idiot als Gabriel!“
Damit zog er sie heftig an sich, küsste sie und schob seine Hände unter ihr Shirt. Stürmisch in seiner Wut und Verzweiflung schob er ihren Slip hinunter und hob sie auf die Mauer.
Fay stöhnte, so drängend war auch ihr eigenes Verlangen, und die Erleichterung, die sie verspürte, weil sie Julien nicht verloren hatte, ließ sie seiner heftigen Begierde genauso leidenschaftlich
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