Von ganzem Herzen Emily (German Edition)
lassen.
»Natürlich kannst du immer kommen und mit mir reden, Rose. Oder du machst einen Termin bei der Psychologin vom Jugendamt aus, bei der weniger Gefahr besteht, dass sie die Scheidung deiner Eltern als Vorwand benutzt, um über ihre eigene Scheidung zu klagen.«
Sie zwinkerte mir zu, und ich lächelte. »Danke.«
Ich stand auf. Doch bevor ich zur Tür ging, hatte ich noch eine Frage auf dem Herzen. »Nur so aus reiner Neugier: Wie essen Sie eigentlich Käsekuchen direkt aus dem Tiefkühlfach?«
Sie schaute mich entgeistert an, als wäre dies die selbstverständlichste Sache der Welt. »Ihn wie Eis lecken. Was sonst?!«
Was sonst.
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W eil Doktor Gilyard heute unbedingt über Onkel Alex reden wollte, erhielt ich so etwas wie eine Gnadenfrist. Keine Ahnung, warum. Vielleicht will sie mich in falscher Sicherheit wiegen, nur um mich dann mitten in der Nacht aufzuwecken, an meinem Bett zu sitzen und zu sagen: »Erzähl mir alles von Sid.«
Als ich das gerade geschrieben habe, durchfuhr mich ein Schauder.
Sie begann unsere Sitzung in dieser Woche mit dem Satz: »Während dein Vater im Gefängnis war, sollte sich doch eigentlich dein Onkel Alex um dich kümmern.«
Das war nicht gerade ein gelungener Einstieg. Ich hätte ihr am liebsten eine verpasst.
»Er hat sich um mich gekümmert«, sagte ich mit einem wütenden Blick.
»Aber solltest du nicht mit ihm und deiner Großmutter in Spanien sein?«
»Ja. Na und?«
»Du hast gesagt, er sei mit deiner Entscheidung, nach London zu gehen und dich mit Juliet anzufreunden, nicht einverstanden gewesen. Warum hat er dich dann nicht aufgehalten?«
»Er konnte mich nicht aufhalten.«
»Warum nicht?« Sie nahm ihre Brille ab und schaute mir in die Augen. »Was ich da alles so über deinen Onkel gelesen habe, legt nicht gerade den Schluss nahe, dass er sich von einem siebzehnjährigen Mädchen auf der Nase herumtanzen lässt.«
Ich legte den Kopf zurück und lachte. »Wir kennen uns noch nicht, oder?«
»Was willst du mir damit sagen?«
»Hallo«, sagte ich und winkte. »Ich bin Emily Koll. Ich bin der wandelnde Albtraum.«
Daraufhin lachte sie leise auf und schrieb etwas in ihr Notizbuch. »Ich weiß sehr wohl, wie willensstark du bist, Emily. Aber dein Onkel war hier der Erwachsene, und du warst das Kind. Du hast gesagt, dass er dir Geld geschickt und dich mit den notwendigen Papieren für deine falsche Identität versorgt hat. Das hätte er alles nicht tun müssen. Er hätte einfach Nein sagen können, und dann hättest du hilflos in Spanien geschmort.«
Ich beugte mich vor. »Erstens bin ich kein Kind. Zweitens hätte ich es sowieso getan, ob mit oder ohne seine Hilfe, und das wusste er auch. Wenn er mir half, konnte er wenigstens sicher sein, dass ich hatte, was ich brauchte, und mir keinen beschissenen gefälschten Pass im Internet besorgte und im Gefängnis landete.«
»Aber du bist im Gefängnis gelandet.«
Ich lehnte mich wieder zurück und seufzte. Ich weiß, dass mein Vater Onkel Alex Vorwürfe macht wegen allem, was geschehen ist. Aber ich wäre so oder so gesprungen. Alles, was Onkel Alex tun konnte, war, meinen Sturz aufzufangen.
»Hat er jemals versucht, dich davon abzuhalten?«
»Mindestens einmal in der Woche!« Ich grinste in mich hinein. »Er hat dauernd damit gedroht, nach London zu kommen und mich nach Spanien zurückzuholen.«
»Aber er hat es nicht getan.«
»Er konnte nicht. Man hat ihn überwacht. Wenn er nach London gekommen wäre, hätten sie sich ihm an die Fersen geheftet und ihn verhaftet.«
»Warum?«
»Ich wohnte nicht weit weg von Juliet. Wenn Alex Koll in Islington aufgetaucht wäre, dann hätte man sofort Verdacht geschöpft und ihn verhaftet, bevor er bei mir an der Tür geklingelt hätte.«
»Und das hast du ausgenutzt?«
»Na klar! Wenn Onkel Alex in London gewesen wäre, wäre das alles total anders gelaufen.«
Sie nickte. »Okay. Erzähl mir vom ersten Mal, als er dich davon abzuhalten versucht hat.«
»Ich hab Ihnen doch gesagt, er hat es mindestens einmal in der Woche versucht.«
»Hat er jemals einen Trip nach London unternommen?«
»Ein Mal.« Ich seufzte und verschränkte die Arme. »Ungefähr einen Monat nachdem das College angefangen hatte, kam ich eines Nachmittags nach Hause, und da saß er auf meinem Sofa und wartete auf mich.«
»Warum? Was war geschehen?«
»Meine Tutorin hatte mir ein Gespräch aufgedrängt, und sie scheint ihn danach wohl angerufen zu haben«, sagte ich und
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