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Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Titel: Von ganzem Herzen Emily (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Byrne
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schüttete meinen Tee in den Abfluss. »Ich erwarte nicht von dir, dass du mich verstehst, Onkel Alex.«
    Und das tat ich auch nicht, denn was auch immer man gegen Alex Koll sagen mag, gegen den Typ Mann, der er ist: Er verstand mich nicht, weil er mich nicht verstehen konnte. Er war innerlich nicht so gebrochen, wie ich es bin, so wie es auch, glaube ich, mein Vater ist. Er begriff einfach nicht, warum ich es tun musste. Warum ich auf dasselbe College wie sie gehen und ihre Freundin sein musste. Warum für mich alles nicht so schlimm war, wenn ich wusste, dass sie nachts immer das Licht anlassen musste.
    Doktor Gilyard schien zu ahnen, welche Gedanken mir gerade durch den Kopf gingen, denn sie fragte mich, ob Onkel Alex jemals hatte wissen wollen, warum ich das alles denn tat.
    »Klar«, meinte ich achselzuckend. »Aber ich konnte es ihm nicht sagen.«
    »Warum nicht?«
    »Er hätte es nicht verstanden.« Und er verstand es auch nicht. Er verstand nicht, warum ich mich so sehr in jedem Winkel von Juliets Leben einnisten wollte.
    »Hat er dir wieder angeboten, sie für dich zu –« Doktor Gilyard holte Luft. »Die Angelegenheit für dich zu regeln?«
    Ich nickte.
    »Warum hast du ihn nicht gelassen?«
    Ich zuckte wieder mit den Achseln. Ich wusste, wenn ich es laut aussprach, würde es vollkommen absurd klingen. Doktor Gilyard in ihrem winzigen weißen Raum hat so etwas an sich, das die Dinge in einem anderen Licht erscheinen lässt. Ich sage bei ihr manchmal Dinge, die eigentlich vollkommen klar und richtig sind, die für mich immer schon klar und richtig waren, aber wenn ich mich sie bei ihr sagen höre, klingen sie auf einmal seltsam falsch und misstönend. Grausam. Hässlich. Deshalb erzählte ich ihr nicht, warum. Ich erzählte ihr nicht, dass ich immer Juliet vor mir sah, wie sie sich ein neues Leben aufbaute, und dass ich unbedingt ein Teil dieses Lebens sein musste. Wie ein roter Faden, der es durchzog. Ich musste ihre Freundin sein. Diejenige, mit der sie alles teilte. Diejenige, die sie anrief, als Sid sie das erste Mal vor dem indischen Restaurant in der Brick Lane geküsst hatte.
    »Ich fühlte mich einfach gut dabei«, sagte ich stattdessen und sah ihr direkt in die Augen, »wenn ich wusste, dass jeder schöne Moment in Juliets Leben von nun an mit mir verknüpft war.«
    »Warum?«
    »Weil sie dann später, wenn es geschehen war, alles infrage stellen würde – ihre Beziehung zu mir, zu Sid, zu ihren Pflegeeltern –, genauso wie ich es getan habe, als ich das über Dad herausgefunden habe. Sie würde sich dann fragen, ob irgendetwas davon wirklich und echt gewesen war, und genau das wollte ich. Ich wollte, dass ihr ganzes Leben Feuer fangen und brennen und brennen und brennen würde, bis nichts als Rauch mehr davon übrig war. Und dann hätte sie nichts mehr. Nichts.«
    Doktor Gilyard ließ eine kleine Weile verstreichen, dann fragte sie: »Hast du das deinem Onkel Alex erzählt? Hat er das verstanden?«
    Ich schüttelte den Kopf. Er konnte das nicht verstehen, weil er sie einfach nur aus dem Weg geschafft haben wollte. Tot. Er würde nie die Befriedigung verstehen, die es bereiten würde, sie allmählich auseinanderbrechen zu lassen – langsam, ganz langsam.
    »Für Onkel Alex ist alles schwarz und weiß«, sagte ich zu Doktor Gilyard. »Links, rechts. Oben, unten. Liebe, Hass. Richtig, falsch.«
    »Und wie ist es bei dir, Emily?«
    »Ich nehme immer alles dazwischen wahr. Alle Schattierungen von Grau und Rot und Blau.«
    Doktor Gilyard nickte und schrieb etwas in ihr Notizbuch. »Was, glaubst du, wäre denn passiert, wenn du auf ihn gehört hättest? Wenn du mit ihm nach Spanien zurück wärst?«
    Ich wandte das Gesicht ab. »Weiß nicht.«
    »Hätte er stärker versuchen sollen, dich davon abzubringen?«
    »Weiß nicht.«
    »Wäre irgendetwas von dem, was geschehen ist, dann auch passiert?«
    »Weiß nicht.«
    »Wärst du dann glücklich, Emily?«
    Das ist der Grund, warum ich sie nicht in mein Herz sehen lassen darf, warum ich alles in Kästchen und hinter Türen versperren muss – weil sie mich nämlich zwingt, über Dinge nachzudenken. Sie bringt mich dazu, über Dinge nachzudenken wie: Wäre ich dann glücklich? Und dreizehn Stunden später sitze ich immer noch da und frage mich: Wäre ich glücklich? Wäre ich glücklich? Wäre ich glücklich? Wäre ich glücklich? Wäre ich glücklich? Wäre ich glücklich?
    Solche Dinge halten mich jetzt nachts wach.
    Was ich verloren habe.
    Der

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