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Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Titel: Von ganzem Herzen Emily (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Byrne
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»Muskatnuss. Passt perfekt zu Lamm.« Ich fühlte mich entfernt an ein Aroma bei Starbucks erinnert.
    »Okay.« Ich nickte, und er stäubte davon etwas in den gusseisernen Schmortopf auf dem Herd.
    »Und Zimt«, sagte er, während ich an einer anderen Gewürzdose schnüffelte.
    »Riecht nach Weihnachten«, antwortete ich, und er grinste.
    Er war nicht der glatzköpfige, in Rente gegangene Polizist, den ich erwartet hatte. Er war ein aus dem Dienst ausgeschiedener Polizist, aber erst Mitte dreißig, genauso wie Eve mit ihren kurzen Haaren und riesengroßen blauen Augen. Mike hatte überhaupt nichts Väterliches an sich. Er stieß mich mit der Hüfte an, wenn er mich auf irgendetwas aufmerksam machen wollte, und ließ mich aus seinem Weinglas trinken, wenn Eve gerade nicht hinguckte.
    Gekümmert hätte sie das wahrscheinlich nicht, aber sie war jetzt sowieso ins Wohnzimmer gegangen, um ein Buch über René Magritte zu suchen, von dem sie uns gerade erzählt hatte. Sie war Kunstlehrerin an einer Schule in Islington und hatte mit ihren kurzen, wippenden Dreadlocks, einem Piercing am Nasenflügel und einem Tattoo mit drei Vögeln am Handgelenk absolut gar nichts Mütterliches an sich.
    Nach einer Weile kam sie mit dem Buch in die Küche zurück und sagte: »Ceci n’est pas un livre.«
    Ich hatte keine Ahnung, was sie damit meinte, aber im Nachhinein war ich beeindruckt, dass sie das Buch überhaupt gefunden hatte. Überall in dem Haus herrschte nämlich Chaos und Unordnung, deshalb weiß ich nicht, wie sie es überhaupt auf den sich durchbiegenden Regalbrettern im Wohnzimmer entdeckt hatte. Vielleicht hatte es dort aber auch gar nicht gestanden. Vielleicht hatte es in dem Stapel neben dem abgewetzten Ledersessel vor dem Kamin gelegen oder irgendwo auf der Treppe oder auf dem Fensterbrett in der Toilette im Keller.
    Das Buch hätte überall im Haus gewesen sein können.
    Das war das Wunder dieses Hauses, in dem Mike und Eve lebten. Nichts war so wie bei mir zu Hause. Mein Vater mochte alles sauber und ordentlich. Schlicht und elegant. Die Wände waren weiß, die Teppiche cremefarben. Alles hatte seinen Platz. Unsere Haushälterin achtete peinlich genau darauf, dass die Hemden meines Vaters in seinem Schrank nach Farbschattierungen geordnet waren, und die weißen Lilien auf dem Tisch im Korridor hatten alle exakt dieselbe Höhe.
    Das Apartment, in dem ich wohnte, hatte damit sehr viel Ähnlichkeit. Alex hatte es möbliert gemietet, und die Hochglanzböden, dicken Teppiche und Ledersofas hatten alle nichts mit mir zu tun. Aber das Haus von Mike und Eve verströmte aus allen Ritzen ihre Persönlichkeit, durch die Risse in der Wand und die Löcher im Dielenboden. Die beiden steckten überall. Erst recht in der bunten Tassensammlung und dem selbst bemalten Küchenschrank. Und überall stand oder lag etwas – Topfpflanzen und Schallplatten und Stapel über Stapel Zeitschriften, auf jedem Tisch und jeder freien Fläche. Sogar auf dem Fußboden. Mein Vater würde bei so was einen Herzinfarkt bekommen. Aber mir gefiel es.
    Ich weiß noch, wie ich ins Wohnzimmer kam, als ich das erste Mal bei ihnen war, und das God-Save-the-Queen-Poster der
Sex Pistols
über dem Kamin entdeckte. Ich musste lachen, deutete darauf und sagte: »Sid und Nancy. Wie passend.«
    Es war der Tag, nachdem Juliet und Sid sich vor dem indischen Restaurant in der Brick Lane das erste Mal geküsst hatten. Daher dachte ich, sie würde mitlachen. Aber sie wurde nur rot und nahm mir das Versprechen ab, nichts zu verraten. Und ich sagte auch nichts; wir waren beide von unseren Vätern viel zu streng erzogen worden, deshalb verstand ich, dass sie gern ihre Geheimnisse hatte. Doch das war nicht der Grund, weshalb ich schwieg. Ich verwahrte mein Wissen. Steckte es zu dem ganzen Rest. Alles, was Sie sagen, kann und wird gegen Sie verwendet werden, und so weiter.
    »Ro?«, hörte ich Mike in dem Moment sagen. Ich wandte den Kopf und bemerkte, dass er ebenfalls am Türrahmen lehnte. »Ist wirklich alles okay?«
    Er blies den Rauch seiner Zigarette in den Garten. Es war so finster, dass die Kringel sofort in der Dunkelheit verschwanden. Ich fragte mich, wie viel von dem, was uns umgab, wohl Rauch und wie viel davon Dunkelheit war.
    »Wirklich, alles okay. Einfach nur ein bescheuerter Tag«, sagte ich und nahm ihm die Dose
Red Stripe
aus der Hand.
    Er beobachtete, wie ich einen tiefen Schluck machte, langte dann in die Tasche seiner Jeans und zog seine Zigaretten heraus.

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