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Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Titel: Von ganzem Herzen Emily (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Byrne
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hier nicht einsam? Ich fühl mich total einsam.«
    Ich starrte wieder auf den Bildschirm.
    Keine Ahnung, was ich eigentlich erwartet hatte. Wenn es eine Szene in einer Fernsehserie gewesen wäre, hätte Val jetzt nach meiner Hand gegriffen und irgendetwas Tiefsinniges gesagt, das mir geholfen hätte. Das hätte ich jetzt ganz dringend gebraucht. Sie griff nicht nach meiner Hand und sagte auch nichts. Was hätte sie auch Tröstliches sagen sollen? Wir saßen beide im selben Boot.

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    H eute musste Doktor Gilyard Naomi nicht zu ihrer Gerichtsverhandlung begleiten.
    »Was war der Wendepunkt, Emily?«, fragte sie mich bei meiner Sitzung am Vormittag.
    Ich wusste nicht, worauf sie hinauswollte, deshalb zögerte ich mit einer Antwort. »Der was?«
    »Der Wendepunkt. Jede Beziehung hat einen Punkt, an dem sie in eine neue, entscheidende Phase eintritt. Wann war dieser Wendepunkt zwischen dir und Sid, Emily?«
    Ich verschränkte die Arme und lehnte mich in meinem Stuhl zurück. »Was meinen Sie damit?«
    »Wann hast du gemerkt, was du für ihn empfunden hast?«
    »Was ich für ihn empfunden habe?«, wiederholte ich und starrte auf den Riss hinter ihr in der Wand. »Oder was ich jetzt empfinde?«
    Ich presste die Lippen fest aufeinander. Ich wollte ihr nichts erzählen. Meine Gefühle für Sid gingen nur mich etwas an. Aber alles für sich zu behalten ist keine Lösung. Bestimmt kennst du das, wenn man Schmetterlinge im Bauch hat, sobald man an eine bestimmte Person denkt? Wenn ich jetzt an Sid denke, habe ich das Gefühl, von innen wie von Motten zerfressen zu werden. So fühlt sich das jetzt an, nach dem, was ich getan habe.
    »Juliet hat am Mittwochnachmittag immer ihren Therapeuten getroffen«, plapperte ich da auch schon los, statt weiter zu schweigen.
    Doktor Gilyard setzte sich noch etwas aufrechter hin und hielt ihren Stift gezückt.
    »Ich wusste nicht so recht, wie ich mir da die Zeit vertreiben sollte«, erzählte ich und wartete darauf, dass Doktor Gilyard mich unterbrechen und nachfragen würde. Doch das tat sie nicht. »Anfangs hockte ich mich in den Park und las irgendein Buch, aber im November war es dafür zu kalt geworden. Deshalb kam mir dann die Idee, mich in den Bus zu setzen und zu zeichnen.«
    »Zu zeichnen?«
    »Ja. Ich hatte vorher nie groß gezeichnet oder gemalt, aber jetzt musste ich, weil Juliet am College Kunst belegt hatte und ich ja alles genauso machte wie sie. Ich tat mich echt schwer. Die anderen im Kurs hantierten mit Sprühdosen und Computergrafiken, und ich wusste noch nicht mal, dass ich die Ölfarbe mit Terpentin aus meinen Pinseln waschen musste. Meine Lehrerin war entsetzt, als sie sah, wie ich die Pinsel einfach unter den Wasserhahn hielt.« Wenn ich mich daran erinnerte, bekam ich jetzt noch einen roten Kopf. »Warum sie so angepisst war, kapierte ich allerdings erst, als ich erfuhr, dass man eine Mappe einreichen musste, um für den Kurs genommen zu werden. Wie sich dann herausstellte, hatte Onkel Alex mir einfach eine von einem Studenten an der Kunstakademie besorgt.«
    Ich blickte kurz zu Doktor Gilyard. Sie nickte mir zu, dass ich fortfahren sollte.
    »Ich saß also an einem Mittwochnachmittag im November im Bus und zeichnete. Ich war immer noch eine ziemliche Null in Kunst, aber mit dem Bleistift etwas zu skizzieren war nicht ganz so schlimm, weil ich ja alles wieder ausradieren konnte, wenn es missglückt war.«
    Doktor Gilyard lächelte mich an, als sie etwas in ihr Heft schrieb. Ob sie wohl deshalb auch alle Notizen mit Bleistift macht?
    »Was hast du denn gezeichnet?«
    »Ach, alles Mögliche. Was die Leute überall so vergessen hatten: Jacken in der U-Bahn, Regenschirme auf Parkbänken. Nichts Besonderes«, meinte ich gleichgültig. »Aber Dinge, die die Leute später vermissen würden. An dem Nachmittag hab ich ein liegen gelassenes Buch auf dem Sitz vor mir gezeichnet. Ein billiges Taschenbuch, irgend so ein Roman. Trotzdem wird immer jemand wissen wollen, wie die Geschichte denn nun zu Ende ging.«
    Bevor ich mit der Skizze fertig war, nahm ein Pärchen vor mir Platz, und die Frau fing sofort an, in dem Buch herumzublättern. Deshalb konnte ich ihnen auch nicht wirklich böse sein und schlug mein Skizzenbuch zu. Mein Blick streifte eine Gruppe Mädchen in schwarz-weißen Schuluniformen, die ein paar Reihen weiter vorn saßen. Sie sahen sich dauernd um, flüsterten und kicherten. Mehrmals fiel der Name Amy. Schließlich war ich doch neugierig, drehte

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