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Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Titel: Von ganzem Herzen Emily (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Byrne
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jetzt besser nach Hause, Owen«, sagte Sid. »Deine Mum wartet bestimmt auf dich.«
    »Okay«, antwortete er und stellte den rechten Fuß wieder aufs Pedal. »Bis die Tage.«
    Sie nickten sich zu. Doch bevor Owen losradelte, zog ihm Sid noch etwas hinten aus der Hosentasche.
    Owen stellte den Fuß wieder ab. »He! Was soll das?«
    »Das frag ich dich, Owen!« Sid hielt eine Packung Zigaretten hoch. »Du bist zwölf.«
    Owen reckte trotzig das Kinn vor. »Das sind nicht meine, die sind von Patrick.«
    »Dann sag ihm, dass er sie bei mir abholen soll.«
    »He, komm schon, Alter«, bettelte Owen und versuchte, sich die Packung wieder zu schnappen.
    Sid beachtete ihn nicht weiter und steckte die schmale goldene Schachtel in die Tasche seines Kapuzenshirts. »Nichts da mit ›He, komm schon, Alter‹. Weißt du nicht, dass dich das Zeug umbringt? Jemand muss dich einfach vor deiner eigenen Dummheit retten.« Er nickte in Richtung Parktor. »Und jetzt ab nach Hause! Lass deine Mum nicht zu lange warten.«
    Owen schnaubte verärgert, sagte etwas, das ich hier nicht wiederholen werde, und dann zog er ab.
    »Kleines Arschloch«, murmelte Sid, zog die Schachtel Zigaretten wieder heraus und steckte sich eine an. Ich beobachtete, wie er einen langen Zug nahm und dann den Rauch mit einem langen, zufriedenen Seufzer ausatmete.
    »Ich wusste gar nicht, dass du rauchst«, sagte ich. Wir kannten uns jetzt schon drei Monate – wie kam es, dass ich das noch nie bemerkt hatte?
    »Ich hab aufgehört und erst vor Kurzem wieder angefangen.« Er zwinkerte mir zu. »Sag Nance nichts davon, sie regt sich dann nur fürchterlich auf. Sie hasst es, wenn Leute rauchen. Eine Tante von ihr ist an Krebs gestorben.«
    Ihre Mutter, hätte ich ihn am liebsten verbessert. Stattdessen spähte ich zu der Packung. »Gib mir auch eine.«
    In der Schachtel waren noch vier Zigaretten, die wir dann alle aufgeraucht haben, jeder von uns zwei. Wir saßen nebeneinander auf der Brüstung des Musikpavillons, mein Skizzenbuch und die Rose zwischen uns. Die Zigaretten waren unser erstes Geheimnis. Wenn ich Juliet hätte verletzen wollen, hätte ich ihr das bloß zu erzählen brauchen – wahrscheinlich hätte ich es ihr auch erzählen müssen. Das war noch mal so ein Wendepunkt, das ist mir jetzt klar geworden. Der Augenblick, in dem ich merkte, dass es mir wichtiger war, dieses Geheimnis für mich zu behalten, als sie zu verletzen.
    »Lass uns noch was zusammen machen«, sagte er, als er seine zweite Zigarette zu Ende geraucht hatte. Er tippte mit dem linken Fuß ungeduldig gegen die Brüstung.
    Ich guckte auf meinem Handy nach, wie spät es war. »Nance muss inzwischen mit Doktor Sahil fertig sein.«
    »Ja, schon.« Sid schüttelte den Kopf. »Aber sie geht heute danach mit Eve in irgendein Stück im National Theatre. Ich meine, lass uns beide noch was zusammen machen, du und ich.«
    »Zum Beispiel?«
    Er sprang von der Brüstung hinunter. »Keine Ahnung. Mir ist nur so –« Er reckte die Arme hoch und drehte sich dann zu mir um. »Spürst du auch manchmal die Muskeln in deinen Beinen unruhig werden? Als würdest du einfach nur losrennen wollen?«
    »Du willst jetzt joggen gehen?«, fragte ich erstaunt und schnippte meine ausgedrückte Kippe ins Gebüsch.
    »Nein, so mein ich es nicht.« Er fing an, auf den ausgetretenen Dielen des Pavillons hin und her zu gehen. »Weißt du, wie früher, als sie geglaubt haben, wenn man mit einem Schiff zu weit segelt … dass man dann über die Kante der Erde fällt?« Ich nickte leicht misstrauisch. »Das möchte ich jetzt am liebsten tun. Ich will diese Grenze spüren. So weit laufen, bis ich ans Ende der Welt komme.«
    Er blieb vor mir stehen. »Komm mit, Ro«, sagte er und schaute mir in die Augen. Erst jetzt fiel mir auf, wie dicht und schwarz seine Wimpern waren. Ich spürte, wie mein Herz klopfte. »Lass uns was zusammen machen.«
    »Und das wäre?«
    »Keine Ahnung.« Er blickte über meine Schulter in den Park. »Aber ich meine, guck dir doch mal die Leute an.«
    Ich drehte mich um. Es dämmerte bereits, deshalb war im Park nicht mehr viel los. Ich sah ein paar Frauen und Männer, die bestimmt von der Arbeit kamen und die Abkürzung durch den Park nahmen, und einen Mann in roten Shorts, der, seit wir hier waren, seine Runden lief und auf seinem grauen T-Shirt einen herzförmigen Schweißfleck hatte.
    »Sie sind alle irgendwohin unterwegs, machen alle irgendwas. Ich will auch etwas tun.« Er sah mich wieder an.

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