Von ganzem Herzen Emily (German Edition)
einmal unsere Ausweise prüfte, dann öffnete sie die Tür, und wir wurden von einem Lärm- und Hitzeschwall begrüßt, der mich fast umhaute.
»Hilfe, Sid, halt mich fest!«, murmelte ich. Aber als die Tür sich hinter uns schloss, hätte er mich selbst dann nicht verstanden, wenn ich gebrüllt hätte. Wir fingen an, uns durch die Menge zur Bühne vorzuarbeiten.
Es war so laut, dass alles um mich herum verschwamm. Der Boden wurde zu einem Schwamm, die Wände zu Wasser, alles, was ich noch klar und deutlich spüren konnte, war seine Hand in meiner, die Linien seiner Handfläche, die Hornhaut an seinen Fingerkuppen. Die Menge ging begeistert mit der Musik der Band mit, wogte rhythmisch hin und her, Sid und ich wurden hineingezogen, und ich umfasste seine Hand noch fester, so fest, dass ich die Knochen seiner Finger spürte.
Die Luft roch nach Schweiß und Bier, was sich eklig anhört. Aber ich lächelte in einem fort. Ich liebe das alles, habe ich immer schon. Die Hitze der Menge, das Vibrieren des Basses. Einen Moment fühlte ich mich nach Glastonbury zurückversetzt, wo ich mir mit Olivia den Weg nach vorne zur Bühne gebahnt hatte. Als Sid sich zu mir umdrehte, wünschte ich mir, die Zeit stände still und es gäbe für alle Ewigkeit nur uns beide, ihn und mich, hier im Dunkeln nebeneinander.
Ich lächelte ihn an, und er lächelte zurück, und dieser Augenblick war vollkommen, einfach nur vollkommen. Doch dann schlüpfte zwischen uns ein blondes Mädchen hindurch, das zur Bar wollte, und unsere Hände verloren sich. Ich wollte ihr nachschimpfen, aber da hatte Sid bereits wieder nach meiner Hand gegriffen und zerrte mich so plötzlich zur Seite, dass ich dachte, er kugelt mir die Schulter aus.
»Hierher!«, hörte ich ihn brüllen, und tatsächlich war es auf der Seite etwas ruhiger.
Je weiter wir nach vorne kamen, desto stickiger wurde es. Die Luft klebte wie ein Film auf meiner Haut, als ich hinter Sid herstolperte und den Leuten dabei auf die Füße trat. Sie ließen uns nur widerwillig durch; alle versuchten, ihre Plätze zu verteidigen, während sie darauf warteten, dass die Beastie Boys auf die Bühne kamen. Sid entschuldigte sich höflich bei allen, und ich weiß nicht, ob es damit zu tun hatte oder ob es vielleicht seine Größe war, jedenfalls machten sie dann doch immer einen Schritt zur Seite. Wenn auch keinen Zentimeter mehr als nötig, und so streifte ich mit meinen nackten Armen dauernd nass geschwitzte T-Shirts, und einmal peitschte mir ein Mädchen ihre langen Haare ins Gesicht.
Wie wir in diesem Geschiebe und Gedränge Juliet finden wollten, war mir ein Rätsel. Aber auf einmal – endlich! – waren wir ganz vorne angelangt, und da stand sie an der Säule links neben der Bühne und wartete auf uns.
Als sie mich sah, umarmte sie mich. Das hatte sie vorher noch nie gemacht, und ich war davon so überrascht, dass ich lachte und sie auch ganz fest an mich drückte. Sie roch süß und frisch.
»Es hat geklappt!«, rief sie mir ins Ohr.
»Ja!«, brüllte ich zurück und zeigte ihr meine Hände. »Siehst du, wie ich zittere?«
Sid grinste. »Versprochen ist versprochen.«
»Super Platz!«, brüllte ich. »Ganz vorne mag ich am liebsten. Ich stehe normalerweise auf der anderen Seite!«
»Hier ist besser!«, brüllte Juliet und deutete auf den erhöhten Sockel der Säule. »Dort können wir uns abwechselnd draufstellen, damit wir was sehen!«
»Was glaubt ihr, wer LM und DM sind?«, fragte Sid und fuhr mit dem Finger die Initialen nach, die in die Säule gekratzt waren. »Glaubt ihr, sie sind immer noch zusammen?«
Juliet tat schockiert. »Und was, wenn sie miteinander Schluss gemacht haben?«
»Bestimmt«, sagte ich, inzwischen schon heiser vom vielen Schreien. »Sonst wären die beiden hier. Ich wette, sie steht jetzt immer auf der anderen Seite, wegen der vielen Erinnerungen. Wahrscheinlich habe ich dort das letzte Mal neben ihr gestanden.«
Sid warf den Kopf zurück und lachte. »Du hast immer Ideen, Ro!«
Er zog an meinen Haaren, und ich grinste. »Ich brauch unbedingt was zum Trinken! Ihr auch?«
Sie nickten, und ich drehte mich wieder zur Menge um.
Ich weiß noch, wie ich dachte: ›Noch mal auf ins Getümmel‹, als ich mich erneut durchkämpfte. Dann fiel mir plötzlich ein, dass ich Sid und Juliet gar nicht gefragt hatte, was sie denn überhaupt wollten, und drehte mich noch einmal um. Es waren nur ein paar Leute zwischen uns, und sie traten zur Seite, um mich wieder
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