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Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Titel: Von ganzem Herzen Emily (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Byrne
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sie sind die Erwachsenen, sie müssen schließlich wissen, was sie tun. Warum fühlen wir uns immer für ihre Fehler verantwortlich?«
    Er nickte und wirkte so traurig, dass ich es kaum ertrug. Deshalb hob ich die Hand und strich die Falte zwischen seinen Augenbrauen glatt. Er lächelte. Ich wollte schon zurücklächeln, da spürte ich auf einmal, dass jemand hinter mir stand.
    »Sie wusste Bescheid?«, hörte ich eine Stimme fragen. Es war Juliet.
    »Du hast mit ihr über deine Mutter geredet, aber nicht mit mir?«, fragte sie. Ich hatte mich zu ihr umgedreht, und sie deutete anklagend auf mich.
    »Nance –«, setzte Sid an und sprang mit einem Seufzer vom Geländer, aber sie hörte gar nicht hin.
    »Du Schlampe«, hörte ich sie nur rufen, und dann stürzte sie sich auf mich.
    Es geschah so schnell, dass ich keine Zeit hatte, die Hände vors Gesicht zu halten, bevor sie mir ins Gesicht schlug. Ich war noch nie geohrfeigt worden. Mir verschwamm alles vor den Augen, und ich fiel gegen das Geländer. Seltsam, dass ich mich ausgerechnet daran erinnere, aber ich weiß noch, wie kalt das Metall war, als ich die Hand ausstreckte, um mich festzuhalten. So kalt, dass ich die Stange fast wieder losgelassen hätte.
    »Nance! Was tust du da?« Sid fasste sie am rechten Handgelenk, als sie ein zweites Mal versuchte, mir ins Gesicht zu schlagen, deshalb versuchte sie es mit der linken Hand. Er packte auch ihr linkes Handgelenk. »Hör auf!«
    »Sie ist eine Hure, Sid!«
    »Was?«
    »Sie hat sich von Mike ficken lassen!«
    Sid ließ sie los. »Was?«
    »Sie hat sich von Mike ficken lassen.« Juliet hielt inne und blies sich eine Haarsträhne aus den Augen, die Hände in die Hüften gestützt. »Deshalb musste ich nach Haus kommen. Eve wollte mir mitteilen, dass sie sich scheiden lassen!«
    Sid starrte mich an. »Das hab ich nicht«, stieß ich hervor und schüttelte den Kopf. »Wir haben uns nur geküsst.«
    »Als ob das einen Unterschied machen würde! Ich dachte, wir sind Freundinnen!« Juliet stürzte sich wieder auf mich, griff nach meinen Haaren und zog so fest daran, dass ich aufschrie. »Du hast alles kaputt gemacht. Jetzt muss ich zu einer anderen Familie.«
    Sid packte sie wieder an den Handgelenken und schaute sie verwundert an. »Was? Warum denn?«
    Juliet biss sich auf die Zunge. Ich hätte ihm die Antwort geben können. Weil die beiden nämlich nicht ihre Tante und ihr Onkel waren, sondern ihre Pflegeeltern. Und wenn Mike ging, wer würde dann die arme, kostbare Juliet beschützen? Vielleicht hätte ich es ihm in diesem Moment sagen sollen. Vielleicht hätte ich die Hand ausstrecken und sie von ihrem hohen Ross stoßen sollen. Dann hätte sie gemerkt, was es hieß, mit mir in der Gosse zu liegen.
    Doch eine Frau im Bademantel starrte uns neugierig an, während eine als Weihnachtsmann verkleidete Krankenschwester sie im Rollstuhl vorbeischob, und ich begriff wieder, wo wir waren.
    »Können wir das jetzt vielleicht lassen?«, fragte ich mit leiserer Stimme. »Ich glaube, dass Sid –«
    »Erzähl mir nicht, was gut für Sid ist«, unterbrach mich Juliet.
    Ich versuchte es noch einmal. »Ich glaub nicht, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um –«
    »Doch. Ich will jetzt darüber reden. Ich will, dass Sid weiß, wem er da vertraut.«
    »Okay, können wir das dann vielleicht irgendwo machen, wo wir nicht so viele kranke Leute damit belästigen?«
    »Du bist diejenige, die hier krank ist, Rose. Solche wie dich kenne ich.«
    Ich hätte es nicht tun sollen, aber ich ging darauf ein. »Solche wie mich?«
    »Deine Familie ist kaputt? Sorg dafür, dass meine auch kaputtgeht. Und du hast selber keinen Freund? Kein Problem, nimm einfach meinen!«
    Ich sah die Tränen in ihren Augen, sah, wie ihre Hand zitterte, als sie auf mich deutete, und da wusste ich es. Ich wusste, dass sie wusste, was ich getan hatte und warum. Ich musste es ihr nicht groß sagen, sie wusste es auch von selbst.
    Juliet Shaw mag vieles sein, aber dumm ist sie nicht.
    »Ich hab gedacht, wir sind Freundinnen, Rose. Ich hab dir alles erzählt.«
    Da machte ich einen Schritt auf sie zu und fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen: »Alles?«
    »Das reicht jetzt!«, brüllte Sid und schob sich zwischen uns, bevor ich ihren Namen herausschreien konnte, bis mir die Lungen brannten. »Genug!«
    »Sid –«, fing Juliet an, doch er schüttelte den Kopf.
    »Nein, Nancy. Ich will nichts mehr hören.«
    »Aber, Sid –«
    »Nein, nicht jetzt. Meine Mutter

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