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Von Hundert auf Gluecklich - wie ich die Langsamkeit wiederentdeckte

Von Hundert auf Gluecklich - wie ich die Langsamkeit wiederentdeckte

Titel: Von Hundert auf Gluecklich - wie ich die Langsamkeit wiederentdeckte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Graefin von Bruehl
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Einrichtung einfacher Osterias und dem Angebot traditioneller Gerichte dem Schutz der regionalen Küche und ortstypischer Weine widmete. Schnell gewann Petrini eine Aufmerksamkeit, die über die Grenzen des Piemonts hinausging. Er gründete den Verlag
Gambero Rosso
, der bis heute jährlich den wichtigsten Weinführer Italiens herausgibt. Und als die Imbiss-Kette
McDonald’s
in demselben Jahr ausgerechnet an der Piazza Navona in Rom, einer der herrlichsten barocken Platzanlagen der Stadt, die von |58| einem prächtigen, figurenreichen Brunnen geziert wird, eine Filiale eröffnete, gab Petrini gemeinsam mit ein paar spottlustigen Journalisten übermütig Kontra. In einer spektakulären Aktion lud er nicht weit von der Piazza zu Füßen der Spanischen Treppe zu einem öffentlichen Spaghettiessen ein. Mit dem sinnenfrohen Mahl unter freiem Himmel protestierte er gegen den Verkauf vorproduzierter Hamburger und Fritten, Coca-Cola und Sprite, typischer Produkte der amerikanischen Fast-Food-Industrie. An diesem Tag wurde auch der Name von Petrinis Bewegung gekürt:
Slow Food
im Gegensatz zu
Fast Food
.
    Petrini wehrte sich gegen die Simplifizierung der Ernährung, aber seine Aktionen, das betont er bis heute, waren nie aggressiv. Er führt keinen Don-Quichotte-Kampf gegen die Windmühlen der Nahrungsmittelindustrie und absurd lange Transportwege. Er möchte das Augenmerk einfach auf den Reichtum unserer Natur lenken, auf die Vielfalt unserer kulinarischen Genüsse, die davon lebt, dass es Unterschiede gibt. Er rief den
Salone del Gusto
(Salon des Geschmacks) in Turin ins Leben und die gastronomische
Università di Scienze Gastronomiche
in Pollenzo. Er ermunterte dazu, sich mit Verstand zu ernähren und das einzigartige Vergnügen, das ein köstliches Essen bereitet, zu bewahren. Kein Wunder, dass das Manifest seiner Bewegung schließlich am 9. Dezember 1989 in Paris verfasst und gemeinschaftlich unterschrieben wurde. In keinem Land der Welt sind Essen und sinnliche Genüsse schließlich ein so unverzichtbarer Bestandteil des Lebens wie in Frankreich.
    Slow Food
ist inzwischen in 45 Ländern vertreten. Die Non-Profit-Organisation fördert und unterstützt das internationale Bauernnetzwerk
Terra Madre
, deren Vertreter |59| sich jährlich zu Tausenden in Turin versammeln. 2009 wurde auf der Berlinale der gleichnamige Dokumentarfilm von Ermanno Olmi uraufgeführt. Die Idee der Bewegung hat keineswegs nur mit Langsamkeit zu tun. Obwohl seine Vertreter eine Schnecke zum Symbol wählten und selbstredend ein entspanntes Abendessen, das in Ruhe eingenommen wird, einen größeren Genuss darstellt als hastige Nahrungsaufnahme zwischen Tür und Angel, ging und geht es Petrini und seinen Leuten weniger um Entschleunigung. Im Mittelpunkt ihrer Bestrebungen stehen die Pflege der Tischkultur und eine gesunde Ernährung aus hochwertigen und schmackhaften Lebensmitteln. Ihr Ziel ist letztlich die Steigerung von Lebensqualität – und das für jeden Einzelnen.
    Die australischen Autoren Wendy Parkins und Geoffrey Craig, die den Ursprüngen der Bewegung jüngst im Rahmen eines Forschungsaufenthaltes vor Ort nachgegangen sind, bekräftigen in ihrem Buch
Slow Living
: »Vor allem aber ist es der Versuch, ein bedeutungsvolles, zukunftsfähiges, überlegtes und genussvolles Leben in der Gegenwart zu führen.«
    Die Philosophie von
Slow Food
hat stark dazu beigetragen, dass sich der Ruf nach Entschleunigung systematisch auf alle Lebensbereiche ausgeweitet hat. Nicht zuletzt die Ideen des
Slow Living
, der Anspruch, langsamer zu leben, und
Città Slow
, der Versuch, eine Umgebung dafür zu schaffen und Orte auszuzeichnen, in denen das auch möglich ist, gehen unmittelbar auf Petrinis Ideen zurück. So findet sich bei Parkins und Craig folgerichtig einige Seiten weiter der Hinweis: »Wir wollen gleich klarstellen, dass langsames Leben keinen einheitlichen oder vorab festgelegten Inhalt hat, sondern sich ganz unterschiedlich |60| in Subjekten oder Betätigungen materialisiert (…). Prototypisch für langsames Leben ist eine Praxis, die einen besonnenen Umgang mit der Zeit pflegt und auf diesem Wege Sinn und Genuss in den Alltag einbringt.«
    Leider hat
Slow Food
über die Jahre den Ruf bekommen, elitär und damit den Menschen vorbehalten zu sein, die sich solch einen Lebensstil leisten können. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Produkte, deren Verkauf sie unterstützt, meist grundsätzlich teurer sind. Auch haben sich viele

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