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Von Hundert auf Gluecklich - wie ich die Langsamkeit wiederentdeckte

Von Hundert auf Gluecklich - wie ich die Langsamkeit wiederentdeckte

Titel: Von Hundert auf Gluecklich - wie ich die Langsamkeit wiederentdeckte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Graefin von Bruehl
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Restaurantbesitzer und Sterneköche die Idee auf ihre Fahnen geschrieben und verlangen entsprechende Preise für die Gerichte aus dieser Art Küche. Genuss und Tischkultur haben per se den Nimbus von Reichtum, und sei es allein der Reichtum an Zeit. Die Kraft einer Idee ist eben immer auch ihre Schwäche.
    Doch Petrini – inzwischen ist er 62 Jahre alt, hat den Vorsitz von
Slow Food
Italien weitergegeben und widmet sich der Präsidentschaft der internationalen Bewegung – hält tapfer dagegen an. In seinen Interviews, wie zuletzt im November 2010 in der
Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung
im Gespräch mit Ursula Heinzelmann, bekräftigt er weiterhin, sein Bestreben sei die Unterstützung der Bauern und der Erhalt der einfachen Küche: »Es geht darum, die lokale Wirtschaft zu stärken, die Ernährungssouveränität, die Biodiversität zu verteidigen und den Bauern Gerechtigkeit zu verschaffen.«
    Seine Überzeugung und sein ganzes Auftreten wirken ausgesprochen sympathisch. Auch mir will nicht in den Kopf, warum regionale Kost teurer sein sollte als importierte Ware. Selbst wenn das der Fall sein sollte, ist ein Apfel, den ich mir vom Baum gepflückt habe und kurz |61| darauf verspeise, so viel gesünder, dass er seinen Preis allemal wert ist. Solche Lebensmittel wird man anders wertschätzen, umfassend verwerten und schon gar nicht wegwerfen.
    Aber nachdem ich die einzelnen Beträge studiert hatte, die unser neuer Bio-Lieferant für Fleisch, Käse, Fruchtsäfte oder gar Wein verlangte, traute ich mich nicht, unseren wöchentlichen Bedarf an Lebensmitteln komplett mit Hilfe seines Angebotes zu decken. Ich fürchtete, das würde unser Budget übersteigen. Die übrigen Nahrungsmittel, die wir benötigten, würden wir also wie gewohnt weiter im normalen Supermarkt besorgen.
    Während ich über all das nachdachte, zerkleinerte ich sorgfältig meine Brandenburger Pastinaken und brachte sie zum Kochen. Ich setzte Kartoffeln auf, wusch die Petersilie und zerhäckselte sie. Nachdem das Gemüse gar geworden war, schälte ich die Kartoffeln, zerkleinerte alles mit dem Pürierstab und schmeckte das Mus zu guter Letzt mit Butter, Salz und Muskat ab. Es roch herrlich. Ich füllte alles in eine Schüssel, streute die frische Petersilie darüber, stellte zwei Teller auf den Tisch und fragte Schrat, ob er Lust habe, mit mir zu Mittag zu essen. Er ließ sich nicht lange bitten.
    Eine Stunde später saß ich wieder an meinem Schreibtisch. Die Zubereitung der Pastinaken hatte etwa dreißig Minuten gedauert, dazu die Kartoffeln – mir blieb nicht mehr viel Zeit zum Arbeiten. Auch der Gang in mein kleines Büro hatte sich wegen meiner neuen Gehgeschwindigkeit hingezogen. Aber ich hatte frisch zubereitetes, märkisches Gemüse gegessen, und es hatte wunderbar geschmeckt. Darüber hinaus hatte ich Anlass gehabt, mit meinem Liebsten in Erinnerungen zu schwelgen. |62| »Schmeckt wie in England«, hatte er zu meinem Gericht gesagt. Und es war nicht ironisch gemeint.
    Einige Tage später kam ich mittags in die Küche und überraschte meinen Mann im Kampf mit einem Kürbis. Er hatte seinen Pullover ausgezogen, sich mit einem Messer bewaffnet und stand schwitzend und mit hochrotem Gesicht vor dem Holzbrett, auf dem wir gewöhnlich das Gemüse kleinschneiden. Auf dem Brett ruhte arglos der gestreifte Spaghettikürbis, den uns die
Märkische Naturkost
ins Haus gebracht hatte. Seine Schale wies allerdings schon einige Angriffsspuren auf. »Ich wollte dir eine Kürbissuppe kochen, aber dieses Biest ist so hart«, schnaufte Schrat. »Ich weiß nicht, wie ich es in den Topf kriegen soll.« Neben dem Brett lag eine ganze Batterie von Küchenwerkzeugen. Das kleine Obstmesser mit dem hellblauen Kunststoffgriff, das Brotmesser mit seinem gezackten Sägeblatt, das vornehm weiß schimmernde Porzellanmesser, ja sogar der Kartoffelschäler schien schon im Einsatz gewesen zu sein. Fehlte eigentlich nur noch eine Axt.
    Nun muss man wissen, dass in unserem Haushalt der Mann der Küchenchef ist. Ich mache mir, wie gesagt, nicht viel aus Kochen und bin darin auch nicht sonderlich begabt. Aber ich hatte hierzulande schon öfter Kürbissuppe gegessen. Das konnte doch nicht so schwierig sein. Wie machten das wohl die anderen? Ob ich einmal kurz im Internet nachschaue?
    »Versuch es doch mit einem Korkenzieher«, schlug ich vor. Irritiert schaute mich Schrat an: »Das ist doch keine Kokosnuss.«
    Schließlich griff er zu dem groben Schlachtermesser, das er

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