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Von jetzt auf gleich

Von jetzt auf gleich

Titel: Von jetzt auf gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caprice Crane
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haben, als wollte ich mir den Kopf abdrehen.
    Ich hasste meine Mutter. Hass schien mir allerdings nicht stark genug. Ich verabscheute sie.
    Ich ging die McDougal-Straße hinunter und heulte mir die Augen aus, als mir plötzlich etwas dämmerte (abgesehen davon, wie bescheuert ich aussah und wie unangenehm mir das alles war): Ich hatte das Gefühl, dass mir das alles passieren musste. Ich war mal wieder das Opfer. Die Leute taten mir etwas an, und ich litt darunter. Doch für nichts war ich jemals selbst verantwortlich.
    Aber das gehörte jetzt der Vergangenheit an. Ich musste herausfinden, was ich zu all dem beitrug und was ich tun konnte, um es zu beheben. Es wurde Zeit, die Opferrolle loszuwerden. Dinge passierten einfach. Und es war meine Aufgabe, das Beste daraus zu machen. Ich wollte mich nicht länger zurücklehnen und alles so nehmen wie es war, als wäre ich nur ein Zuschauer in meinem eigenen Leben.
    Ich hatte Amnesie simuliert. Ja. Die Papiere unterschrieben und meiner Mutter damit die Vollmacht über mich gegeben. Ja. Aber ich hatte ihr nicht erlaubt, die schöne, wenn auch ein bisschen unehrliche Beziehung kaputt zu machen, die sich zwischen Travis und mir gerade entwickelte.
    Als ich mich zu Hause auf mein Bett fallen ließ, hörte ich ein Rascheln, rollte zur Seite und sah, dass es der Ausdruck meines Leuchtturmgedichts war. Travis. Abgesehen von der Wut auf meine Mutter, gab es auch noch diese bescheuerte Ben-ist-mein-Anwalt-Geschichte. Was sollte ich von der ganzen Sache halten? Vielleicht war Travis ja tatsächlich nicht der Typ, für den ich ihn die ganze Zeit gehalten hatte. Vielleicht war er nur irgendein Idiot, der seinen Arsch retten und einem Gerichtsverfahren entgehen wollte.
    Ich konnte mich nicht daran erinnern, ins Bett gegangen zu sein. Ich heulte einfach und heulte und heulte, und als ich meine Augen aufschlug, war es der nächste Morgen. Ich rief meine Mom an und fragte, ob wir uns eventuell zum Mittagessen treffen können. Ich hatte vergessen, streng zu sein – es war einfach wieder die alte Jordan, die da sprach. Aber dann, als sie zögerte, fragte ich nicht mehr. Ich sagte ihr, dass sie kommen solle, unbedingt. Und nachdem sie widerwillig zugestimmt hatte, legte ich auf.

23. (Voll)machtlos
    Als ich in dem Fischrestaurant ankam, war meine Mutter schon da und trank ein Glas Wein. Sie war sicher schon bei ihrem zweiten ›Was auch immer Ihr bester Merlot ist‹, und es würden sicher noch einige folgen.
    »Hi, Mom«, sagte ich giftig und setzte mich auf den freien Platz. Den mit dem Blick zur Wand. Ich weiß, man sollte Respekt vor dem Alter haben, aber meine Mutter verlangte immer, so zu sitzen, dass sie rausgucken konnte, um einen schönen Blick zu haben. Gibt es eine Regel, die besagt, dass Mütter immer rausgucken dürfen?
    »Danke, dass du gekommen bist.«
    »Es klang dringend«, sagte sie und nahm einen Schluck. »Was gibt’s denn so Wichtiges?«
    »Du hast in meinem Namen ein Gerichtsverfahren gegen Travis eingeleitet.«
    »Travis?«, fragte sie und tat verwirrt. So als wüsste sie nicht, wo sie den Namen hintun sollte.
    »Ja, Mom«, sagte ich in einem Ton, den sie wahrscheinlich noch nie von mir gehört hatte. »Travis. Der, gegen den du ein Gerichtsverfahren eingeleitet hast. Es sei denn, du hast noch mehr Gerichtsverfahren in meinem Namen angeleiert.«
    »Nein, Schätzchen. Nur eins. Entschuldige … Ich wusste seinen Namen nicht auf Anhieb.« Blödsinn.
    »Wie auch immer, du musst es zurücknehmen.«
    »Es tut mir leid, Jordan«, sagte sie in einem fast entschuldigenden Ton, »aber das können wir nicht.«
    »Ich verklage ihn nicht«, insistierte ich. »Was immer du da getan hast, mach es rückgängig.«
    »Nein«, sagte sie.
    Das war eine einfache Antwort – eine, die sie mir mein ganzes Leben ohne jegliche Begründung gegeben hatte. Es hieß nie »Nein, weil …« oder »Nein, und jetzt sage ich dir, warum.« Es hieß immer schlicht und einfach »Nein«. Als meine Mutter hatte sie wohl das Recht, mein ganzes Leben hindurch zu vielen Dingen nein zu sagen. Wie zum Beispiel, als ich sie fünf Jahre nach Samanthas Geburt fragte, ob ich nicht wieder ein Einzelkind sein konnte (»Nein.«). Oder als ich mit vierzehn fragte, ob ich mein eigenes Appartement haben durfte, weil sie mich ständig anbrüllte, wenn meine Musik zu laut war, und eine eigene Bude das Problem gelöst hätte (»Nein.«). Oder mit fünfzehn, als wir in London im Urlaub waren und ich sie fragte, ob ich

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