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Von jetzt auf gleich

Von jetzt auf gleich

Titel: Von jetzt auf gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caprice Crane
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weil ich keine Geschwister habe, werde ich daran erinnert, wie froh ich eigentlich sein kann. Gott bewahre mich davor, jemals eine so böse Schwester zu bekommen, wie du es bist«, sagte er zu ihr.
    »Bis bald, Leute«, sagte Sam und ging an ihm vorbei.
    »Hi«, sagte Todd. »Hast du ein bisschen Zeit für mich?«
    »Ja, sicher«, sagte ich. »Wofür?«
    »Hm …«, stammelte er.
    »Hab ich etwa eine Verabredung vergessen?«
    »Nein, nein«, sagte er. »Ich bin zufällig vorbeigekommen. Keine Sorge.«
    Ich würde eine Amnesie nicht generell empfehlen, aber sie führte bei mir dazu, dass ich mir die Leute genauer ansah, wenn sie wieder in meinem Leben auftauchten. Vielleicht weil es so war, als würde ich sie zum ersten Mal sehen. Vielleicht aber auch, weil ich verzweifelt versuchte, Eindrücke wiederherzustellen. Was auch immer der Fall war, ich sog alles gierig auf – wie sie aussahen, was sie mit ihren Händen machten, ob sie einem zuhörten oder nicht. Todd hatte ich seit dem Unfall zweimal getroffen, und als er da so in meinem Türrahmen lehnte, hatte ich das Gefühl, dass er irgendwie verändert war.
    »Willst du nicht reinkommen?«, fragte ich ihn.
    Er ließ seine Arme sinken und schaute auf seine Füße. Für eine Sekunde sah es so aus, als würde er sich umdrehen und gehen.
    »Das war eine Einladung«, sagte ich. »Jetzt mach ich’s ganz offiziell: Bitte komm rein.«
    Er stand immer noch in der Tür, lächelte und schaute sich verlegen in meinem Appartement um, was nicht lange dauerte. Der Sinn für Humor muss mit dem Gedächtnis in Verbindung stehen, denn ich konnte nicht eine einzige witzige Sache abrufen, um die Stimmung aufzulockern.
    »Todd, komm rein!«
    Jetzt sah er mich direkt an, so als hätte ich ihn aufgeweckt, und kam herein.
    »Die ist schön«, sagte ich, »ist die neu?«
    Todd sah an sich und seiner Lederjacke herunter, die steif war und ein bisschen quietschte, wenn er sich bewegte.
    »Die? Die habe ich schon seit Jahren. Ich weiß auch nicht. Ich hab sie wieder rausgekramt.« Er lief herum, sah sich meine Kerzen an, meine Trockenblumen, meine Plastikbuddhas und blätterte in Zeitschriften, ohne etwas zu lesen.
    »Weißt du, Todd, die meisten Leute, die mich besuchen, schauen sich in meinen Sachen um, als würden sie annehmen, dass die Amnesie eine völlige Veränderung meines Appartements nach sich gezogen hätte.«
    »Hm.« Er wirkte nachdenklich. »Und du wunderst dich gar nicht, dass ich hier einfach so unangemeldet hereinplatze. Ich komme nie unangemeldet. Aber daran erinnerst du dich natürlich nicht.«
    »Du bist auf jeden Fall willkommen. Ich bin allerdings keine gute Gesellschaft, wo ich mich doch an gar nichts erinnern kann, was uns beide betrifft. Aber ich hab mir sagen lassen, dass das mit der Zeit besser wird.«
    Er lehnte sich an den schmalen Küchentisch. »Wenn es stimmt, dass du dich nicht erinnern kannst – und daran zweifle ich gar nicht«, sagte er und es hörte sich eher so an, als würde er daran zweifeln, »dann ist es so, dass du dich nicht erinnerst … verstehst du …«
    Ich warf ihm einen Blick zu, der sagte, dass ich nicht verstehe.
    »Wie es zwischen uns war.«
    »Zwischen dir und mir?«, fragte ich.
    »Das hieße dann ja uns«, sagte er. Er stand auf und begann wieder seine Kreise zu ziehen. Er zeigte mir einen Buddha, und die erhobene Hand des Buddhas zeigte auf mich. »Du und ich, wir waren sozusagen zusammen. Du warst ganz schön verknallt in mich, und ich war von dir ziemlich hingerissen. Wir waren gerade an dem Punkt, wo aus unserer Freundschaft mehr werden sollte.«
    Oh Mann. Die Menge der Verehrer wurde immer größer. Das hätte meinem Ego einen dicken Auftrieb geben müssen, so viele nette, gutaussehende, gut gebaute Männer zu kennen, die alle an mir interessiert waren. Doch auch wenn das jetzt undankbar klingt, hätte ich am liebsten meine Augen geschlossen und den ganzen Mist aus meinem Hirn gelöscht. Ich setzte mich aufs Sofa.
    Wir waren für eine ganze Weile still. Ich sah mir Todd an und versuchte herauszufinden, was an ihm anders war. Er lächelte die ganze Zeit nur halb. Er neigte sich halb nach vorn, halb stand er, halb sah er mich an und halb nicht. Im Krankenhaus hatte er sich so schnell, kraftvoll, ja fast verrückt bewegt. Er hatte so getan, als würde er stolpern, sich aber dann wieder gefangen. Er hatte zu laut gelacht, die Stirn gerunzelt und die Zunge herausgestreckt. Jetzt verhielt er sich wie ein kleines Kind, das wusste, dass

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