Von Kamen nach Corleone
Restaurants Geldwaschanlagen der Mafia sind, in Großstädten wie Rom und Mailand soll sogar jedes fünfte Restaurant der Mafia gehören. Spektakulär war die Beschlagnahmung einiger römischerRestaurants, die im Verdacht stehen, der ’Ndrangheta zu gehören, darunter das legendäre George’s und das Café de Paris in der Via Veneto. Die Antimafiaermittler versuchten auch das Restaurant La Rampa an der Spanischen Treppe zu beschlagnahmen, von dem vermutet wurde, dass es dem Clan Pelle-Romeo gehörte. Und hier schließen sich wieder einmal die Kreise nach Deutschland: Es war der in Erfurt tätige Gastronom Domenico Giorgi, der das Restaurant La Rampa in Rom betrieb. Obwohl beim Kauf des Restaurants 1,3 Millionen Euro schwarz bezahlt worden seien, überwiesen von Kontos in der Schweiz und San Marino, lehnten römische Richter es jedoch ab, das La Rampa zu beschlagnahmen – mit der bizarren Begründung, dass es leider inzwischen üblich sei, einen Teil der Kaufsumme schwarz zu bezahlen.
Kurz bevor ich in Erfurt meinen verklebten Risotto aß, hatte ich an einer Podiumsdiskussion in Berlin teilgenommen, die, wie sich herausstellte, im weitesten Sinne auch mit italienischer Küche zu tun hatte: An der Humbold-Universität in Berlin sollte das Thema »Die Mafia gemeinsam bekämpfen« diskutiert werden. Eingeladen hatten italienische Antimafiainitiativen, darunter auch die erste Antimafiainitiative auf deutschem Boden, »Mafia? Nein danke!«. Sie wurde kurz nach dem Massaker von Duisburg in Berlin ins Leben gerufen von Laura Garavini, einer in Deutschland lebenden italienischen Linksdemokratin, die im italienischen Parlament die Auslandsitaliener vertritt und Mitglied der italienischen Antimafiakommission ist, von in Berlin lebenden italienischen Gastronomen und von Bernd Finger, dem Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität des Landeskriminalamts Berlin. Zusammen mit anderen Referenten saßen Laura Garavini und Bernd Finger im bleichen Licht eines Seminarraums.
Finger sprach darüber, wie die Mafia versucht, Sperrminoritäten in Aktiengesellschaften zu kaufen und in börsennotierte Schlüsselindustrien einzudringen, von der Energieversorgung bis zur Mikroelektronik. Wie die Mafia die Wirtschaft infiltriert und wie sie durch ihre Rechtsanwälte prüfen lässt, in welchen Ländern welche Gesetzeslücken ihren Geschäften dienlich sein können. Und wie dreiundfünfzig italienische Gastronomen in Berlin kurz nach dem Attentat von Duisburg um Schutzgeld erpresst wurden. In schlechter Imitation einer Einschüchterungsformel des legendären neapolitanischen Camorra-Bosses Raffaele Cutolo:
Wir sind eine Genossenschaft der Fürsorge mit jahrzehntelanger Erfahrung, daher erlauben wir uns, dieses Schreiben zu unterbreiten. Wir garantieren Sicherheit für Sie und Ihre Familie. Eine Versicherungspolice, die wir Ihnen raten, nicht abzulehnen. Jeden Monat werden unsere Beauftragten vorstellig werden und sich im Namen des Schutzheiligen vorstellen, dem Ihr mit einer spontanen Spende huldigen sollt – denn jede Spende, die nicht von Herzen oder mit Verzögerung kommt oder die gar mit Verrat einhergeht, schmerzt den Heiligen, aber mehr noch den Sünder. Wir er greifen die Gelegenheit, Euch ein friedliches Weihnachtsfest und ein reiches neues Jahr zu wünschen.
Laura Garavini beschwor die Notwendigkeit, europaweit die Antimafiagesetzgebung zu vereinheitlichen, sie nannte Zahlen, beschlagnahmtes Mafiavermögen, Geldwäscheströme, infiltrierte Wirtschaftszweige. Und sie bemerkte, dass die Mafia da gefährlicher ist, wo man nicht von ihr spricht und wo keine Menschen getötet werden.
Neben Laura Garavini saß der SPD-Abgeordnete Klaus-Uwe Benneter. Während der Vorträge blickte er auf seine Uhr. Es gebe ja unterschiedliche Ansichten über das Ausmaß der organisierten Kriminalität, sagte er schließlich und lächelte so milde, als hätte er gerade zwei sympathischen Verschwörungstheoretikern zugehört. Er sei Mitglied im Innenausschuss und im Rechtsausschuss des Bundestages. Das Problem der Mafia in Deutschland sei kein großes. Auch wenn angeblich in Deutschland der Versuch gemacht werde, Geld zu waschen. Angeblich. Dann verabschiedete er sich freundlich. Er habe noch eine wichtige Verabredung. Was schade war, denn sonst hätte er erleben können, wie der im Publikum sitzende Vizepräsident von »Ciao Italia«, der Vereinigung italienischer Gastronomen in Deutschland, am Ende der Podiumsdiskussion rief, dass es keine
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