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Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Titel: Von Lichtwiese nach Dunkelstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivar Leon Menger , John Beckmann
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Zeigefinger gegen ihre Lippe. „Rupert braucht seinen Schlaf. Sonst ist er den ganzen Tag zu nichts zu gebrauchen.“
    Auf Zehenspitzen stieg sie über den langen Hals der Faultiergiraffe. Ich tat es ihr gleich.
    Als das Schnarchen hinter uns immer leiser wurde, fragte ich: „Warum schläft er nicht zu Hause?“
    „Das hier ist sein Zuhause“, entgegnete Elenor.
    Ich überlegte. „Und wer … wer kümmert sich hier um alles? Ich sehe niemanden arbeiten.“
    Elenor drehte sich zu mir um. „Wie meinst du das?“
    Ich blieb stehen. „Na ja, die Bäume zum Beispiel …wer gießt die?“
    „Der Regen.“
    „Hier drinnen regnet es?“, fragte ich ungläubig und sah zur Decke hinauf, die sich wie ein zweiter Himmel über unseren Köpfen wölbte.
    „Selbstverständlich. Was glaubst du, warum die Apfelbäume sich hier so wohlfühlen? Apfelbäume sind nämlich ziemlich sensibel, musst du wissen. Wenn denen was nicht passt, sind die schneller weg, als du Strawo-Krawo rufen kannst.“
    Ich hörte Elenor zu und nickte eifrig, als würde das alles völlig einleuchtend klingend.
    „Wir sind gleich da“, sagte sie. „Tante Hablieblieb wird sich bestimmt freuen, dich zu sehen.“
    „Ich freue mich auch“, sagte ich und hörte auf zu nicken, weil mein Nacken langsam wehtat.
    Die Apfelbaum-Allee endete und wir bogen in einen der schmalen Gänge ein, die in drei Richtungen von der Eingangshalle abzweigten.
    „Was genau suchst du eigentlich?“, fragte Elenor beiläufig
    „Wie … ich … ähm … was?“, antwortete ich.
    „Als ich dich bei der Lagune getroffen habe, sagtest du, dass du etwas suchst“, erklärte Elenor.
    „Ach so, ja. Ich suche einen –“ Ein plötzlicher Stromschlag durchzuckte meinen Körper und mein Satz endete mit den Worten „Aaaargh, aah“.
    „Was hast du?“ Elenor sah mich besorgt an. „Ist alles in Ordnung?“
    „Ja, ja, alles bestens …“, keuchte ich, meine Hände auf die Knie gestützt.
    „Bist du sicher, dass du nicht allergisch bist? Wir haben hier alle möglichen Sorten von Tierhaaren.“
    Ich schüttelte den Kopf und versuchte, tief durchzuatmen. Mein Bauch brannte wie Feuerquallen. „Das ist keine Allergie. Ich hab nur manchmal solche Magenprobleme“, sagte ich und musste an Omi denken. „Das tut immer nur ganz kurz weh. Ist gleich vorbei.“
    Elenor beobachtete mich mit sorgenvoller Miene. „Bist du sicher?“
    „Ja, ja“, versicherte ich und richtete mich vorsichtig wieder auf. „Siehst du? Wie neu. Das ist so was wie Sodbrennen. Nicht mehr. Kein Grund zur Sorge.“
    Elenor nickte. Doch die tiefe, kleine Falte zwischen ihren Augenbrauen blieb.
    „Vielleicht weiß Tante Hablieblieb ja, was dir fehlt“, sagte sie, als wir weitergingen.
    „Mir fehlt nichts, wirklich nicht.“ Ich hab eher etwas zu viel, dachte ich.
    Der Gang machte einen Knick und endete in einem langgestreckten Saal, in dessen Mitte sich ein Beachvolleyball-Feld befand.
    „Warte kurz hier“, sagte Elenor und lief quer über das Spielfeld davon. Die Sohlen ihrer Gummistiefel hinterließen feine Abdrücke im Sand, die bei näherer Betrachtung wie kleine Seepferdchen aussahen.
    „Ist sie weg?“, meldete sich die Stimme in meinem Bauch.
    „Ist sie“, sagte ich leise und strich dabei versonnen über meinen Mund, damit niemand auf den Gedanken kommen konnte, ich würde Selbstgespräche führen. „Und vielen Dank für den Stromschlag!“ Ich hoffte, dass der ironische Unterton auch in der gedämpften Lautstärke erkennbar war.
    „Du hast mir keine andere Wahl gelassen!“, blaffte Strom-Tom. „Du hättest noch alles ausgeplaudert. Und hör endlich auf, hier rumzuflirten! Ich kann mir das Gesülze nicht länger anhören.“
    „Ich flirte nicht!“, widersprach ich. „Ich unterhalte mich lediglich“, ergänzte ich flüsternd.
    „Du hast einen Auftrag, Dodo! Vergiss das nicht.“
    Ich schwieg, kratzte mir am Kinn und sah zu Elenor hinüber, die sich am rechten Netzpfosten mit einer großen, blonden Frau unterhielt.
    „Und?“, fragte Strom-Tom. „Siehst du den Löffel irgendwo?“
    „Nein, kein Löffel zu sehen“, murmelte ich.
    „Dann steh hier nicht so dumm rum! Tu was! Such den Löffel!“
    Meine Magenwände kribbelten noch immer vom letzten Stromschlag, also sagte ich: „Okay, okay, reg dich nicht auf!“ Unschlüssig wandte ich mich erst nach links, dann nach rechts. Abgesehen von dem Volleyballfeld gab es in dem Saal nicht viel zu entdecken. Ich wollte mich gerade umdrehen, als

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