Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Titel: Von Lichtwiese nach Dunkelstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivar Leon Menger , John Beckmann
Vom Netzwerk:
dich.“
    Ich sah sie an und mir fiel auf, dass sie überhaupt keine Ähnlichkeit mit Elenor hatte. Vielleicht war sie gar nicht ihre Tante. Vielleicht hatten die beiden mich angelogen. Vielleicht war das alles hier eine einzige große Lüge. Ich schaute mich um, schaute hinauf zum zweiten Himmel, von dem es angeblich regnete, so dass sich sogar die sensiblen Apfelbäume hier wohlfühlten, und ich dachte: Es ist zu schön, um wahr zu sein.
    „Danke“, sagte ich. „War nett bei euch.“
    Dann schloss ich die Augen, dachte an den Rasen, an die taubenblaue Markise und an den dunklen Geräteschuppen, und leckte an dem Löffel, der süß und irgendwie nach Honig schmeckte.
    Erst passierte gar nichts. Es kam mir ziemlich lange vor, aber das ist wohl immer so, wenn wirklich gar nichts passiert. Dann hörte ich auf einmal ein lautes, gleichmäßiges Tuckern.
    „Was hast du dir gewünscht?“, flüsterte Strom-Tom, doch ich konnte ihn wegen des Tuckerns kaum verstehen. „Dodo, was ist los?“, fragte er einige Dezibel lauter. „Wo sind wir? Hallo, Dodo?“
    Irgendetwas war anders. Irgendetwas hatte sich verändert. Doch ich traute mich nicht, die Augen zu öffnen. Eine gellendlaute Fanfare ertönte, und Strom-Tom rief aufgeregt: „Du hast es geschafft, Dodo! Du hast es geschafft!“

Wieder zuhause

    Ich wusste nicht genau, wovon er sprach, also öffnete ich gezwungenermaßen meine Augen. Omis Garten sah aus wie immer. Die Sonne klebte direkt über dem Schuppendach, und das grüne Ungeheuer stand vor Aufregung zitternd neben dem Holzzaun. Die Trompeten schmetterten unvermindert laut aus meiner Hosentasche, und Strom-Tom schrie: „Nun geh schon ran! Das ist der Chef!“
    Ich holte das Handy hervor, drückte auf den grünen Knopf, und die Blasinstrumente verstummten.
    „Mensch, Dodo! Das ging ja sogar schneller, als ich dachte!“, jubelte der große, schwere Mann am anderen Ende der Leitung. „Die Sofort-Rente hast du dir wirklich verdient!“
    Ich schwieg.
    „Freust du dich denn gar nicht?“
    „Doch, schon …“ Es fiel mir schwer, die rechte Begeisterung aufzubringen.
    Der Mann in dem Ohrensessel schien das nicht zu bemerken. Vielleicht war es ihm auch egal. „Gut! Sehr gut! Gib den Löffel einfach deiner Omi.“
    „Wieso denn meiner Omi?“
    „Frag nicht so viel, tu es einfach. Damit ist dein Auftrag dann beendet. Ach ja, und, Dodo?“
    „Ja?“
    „Ich habe mich nicht geirrt: Du bist ein Held!“
    Ich glaubte, ein Augenzwinkern zu hören. Dann knackte es in der Leitung.
    Einen Augenblick lang stand ich einfach nur da. Ich steckte das Handy zurück in meine Hosentasche, ging zum grünen Ungetüm und löste den Sicherheitshebel, der sich irgendwie verkantet hatte. Sofort beruhigte sich das glänzende Monstrum und wurde ganz still. Warum war es überhaupt hier draußen und nicht in seiner Ecke im Schuppen? Heute war Montag, nicht Freitag. Und Montag war Wäschewasch-Tag, nicht Rasenmäh-Tag. Trotzdem hatte jemand während meiner Abwesenheit gemäht. Allerdings nur zur Hälfte. Auf der anderen Seite waren die Halme knöchelhoch, was eigentlich unmöglich war, da ich doch vor drei Tagen gerade erst selbst den gesamten Rasen gemäht hatte.
    Omi trat mit einem Tablett auf die Terrasse hinaus. Ich rief: „Omi, was ist denn mit der Wiese los? Und warum steht der Rasenmäher hier?“
    „Schön, dass du wieder da bist“, sagte Omi und stellte das Tablett auf den Tisch.
    „Hast du die Wiese gemäht?“, fragte ich, obwohl auch das nicht erklären würde, warum das Gras so schnell gewachsen war.
    „Wie war‘s denn, mein Junge?“, fragte Omi zurück.
    „Wie es war? Wie was war?“
    Ich sah sie verwirrt an. Omi glotzte stumpf an mir vorbei. Sie schien mich gar nicht richtig wahrzunehmen. So als würde sie schlafwandeln. Oder als wäre sie plötzlich erblindet.
    Ich wedelte mit der Hand vor Omis Gesicht hin und her. Ihre Augen zeigten keine Reaktion. Mein Herz klopfte aufgeregt in meinem Hals. Irgendetwas stimmte nicht. Irgendetwas stimmte überhaupt nicht.
    „Omi? Ich … ich soll dir einen Löffel geben“, sagte ich stockend.
    „Einen Löffel?“ Omi starrte weiterhin auf eine unbestimmte Stelle im Garten.
    Ich nickte. Meine Hand zitterte, als ich den rot-gelb gestreiften Löffel hervorholte.
    Etwas knisterte, und Omi verzog das Gesicht. Sie sah sehr müde aus. „Danke, Dodo.“ Sie nahm den Löffel und steckte ihn in die Tasche ihrer Strickjacke. „Bitte mähe den Rest des Gartens fertig. Und schau nicht

Weitere Kostenlose Bücher