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Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Titel: Von Lichtwiese nach Dunkelstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivar Leon Menger , John Beckmann
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verständnislos, dann vorwurfsvoll an. „Und danach? „
    „Danach?“, krächzte Frau Koslowski. „Nee, danach nicht.“
    Wortlos drehte ich mich um und stiefelte zurück ins Haus. Elenor saß mit angelegten Flügeln auf der großen Standuhr im Flur und pickte lustlos auf das Gehäuse ein. Es war bereits Viertel vor neun. Bald würde es dunkel werden.
    „Ich kann Omi einfach nicht finden“, sagte ich und wischte mir über die Stirn. Meine Hand glänzte nass. „Aber irgendwo muss sie doch sein!“
    Elenor sah auf und zwitscherte: „Beruhig dich, Dodo! Wir werden sie schon finden.“
    Ich begann, unruhig im Flur auf und ab zu gehen. Elenors kleine Sperlingsaugen sahen mir aufmerksam dabei zu.
    „Sie kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben!“, sagte ich auf der Türschwelle zum Wohnzimmer und drehte mich um.
    „Sie wollte den Löffel abgeben“, tschilpte Elenor. „Das hat sie dir doch gesagt, oder?“
    „Ja“, antwortete ich, ging bis zur Küche, drehte mich abermals um und kam wieder zurück. „Aber sie ist hier nirgends!“
    Elenor legte ihren gefiederten Kopf schief. „Dann ist sie wahrscheinlich rausgegangen.“
    „Niemals!“ Ich blieb stehen und schüttelte vehement den Kopf. „Ihre Haare waren nicht frisiert. Omi würde nie mit ungemachten Haaren auf die Straße gehen!“
    „Gutgut, okay …“ Elenors Schnabel verschwand kurz unter ihrem linken Flügel. „Dann ist sie vielleicht im Keller?“
    „Wir haben keinen Keller.“
    Elenor stieß ein schrilles Tschilpen aus, was wahrscheinlich ihren Verdruss zum Ausdruck bringen sollte. Danach war nur noch das Ticken der Standuhr zu hören.
    „Wenn ich auch mal was sagen dürfte …“, meldete sich Strom-Tom.
    Elenors Kopf ruckte hektisch umher. „Dodo, hast du das gehört?“
    Ich sah zur Zimmerdecke und suchte nach einer Ausrede, doch alles, woran ich denken konnte, war Omi. Also sagte ich: „Das kam aus meinem Bauch.“
    Die kleinen, schwarzen Augen fixierten mich, und Elenor piepste ungläubig: „Aus deinem Bauch?“
    Ich nickte. „Darf ich vorstellen: Das ist Strom-Tom.“ Ich machte eine Pause und wandte mich an meinen Bauch. „Strom-Tom, das Mädchen, das du hörst, ist Elenor. Aber eigentlich ist sie ein Vogel.“
    „Ja, ja, das weiß ich doch alles!“, blaffte Strom-Tom. „Ich war doch dabei, schon vergessen?“
    Tatsächlich hatte ich durch die ganze Aufregung das kleine Männchen in meinem Magen beinah vergessen, aber das gab ich natürlich nicht zu.
    „Wer ist das?“, piepste Elenor.
    „Strom-Tom“, sagte ich noch einmal.
    „Und was macht er in deinem Bauch?“
    „Das erkläre ich dir ein anderes Mal“, sagte ich. „Zuerst müssen wir Omi und den Löffel finden.“
    „Ich wüsste vielleicht, wo sie ist …“, schaltete sich Strom-Tom wieder ein.
    „Und warum solltest gerade du mir sagen, wo wir sie finden?“, fragte ich gereizt. „Dir haben wir das alles doch erst zu verdanken. Du willst doch gar nicht, dass wir den Löffel wiederfinden!“
    „Dodo“, zwitscherte Elenor. „Lass deinen Bauch doch mal ausreden.“
    Ich verstummte und schüttelte den Kopf.
    „Danke“, sagte Strom-Tom. „Zufällig hab ich nämlich Kontakte.“
    „Kein Wunder!“, lachte ich bitter. „Du bist ja auch der Strom-Tom!“
    „Sehr witzig, Dodo … wirklich, sehr witzig.“ Strom-Tom machte eine Pause. Dann sagte er: „Das war nicht deine Omi, die mit dem Löffel abgehauen ist.“
    „Nein, natürlich nicht!“, fiel ich ihm mit wedelnden Handbewegungen ins Wort. „Ich hab mich auch schon immer gewundert, wer diese alte Frau ist!“
    „Das war nicht deine Omi“, wiederholte Strom-Tom ruhig. „Das war Strom-Klaus. Er ist in deiner Omi. So wie ich in dir bin. Schon seit vielen Jahren. Was denkst du, warum sie immer solche Bauchschmerzen bekommt, wenn du sie nach deinen Eltern fragst?“
    Ich schluckte trocken. Alles ergab plötzlich einen Sinn. Alles war so offensichtlich, dass ich mich fragte, warum ich nicht selbst darauf gekommen war. Ich grübelte, bis mein Hirn zu summen anfing, mein Mund sich öffnete, und ich entschlossen sagte: „Das ist nicht wahr!“
    „Es tut mir leid“, sagte Strom-Tom. „Wirklich …“ Wieder machte er eine Pause. „Strom-Klaus …“, setzte er an. „Wie soll ich sagen? Strom-Klaus gehört nicht unbedingt zu den Nettesten von uns.“
    „Was heißt das?“, fragte ich und lauschte dem Summen in meinem Kopf.
    „Na ja, er nimmt seinen Job halt sehr ernst“, erklärte Strom-Tom. „Wenn

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