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Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Titel: Von Lichtwiese nach Dunkelstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivar Leon Menger , John Beckmann
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unterschiedlich.“
    Ich beschloss, die Diskussion abzukürzen. „Wir müssen ihr helfen! Wir müssen sie finden. Und wir müssen Elenor finden!“
    „Du immer mit deiner Elenor …“, sagte Strom-Tom. „Sag bloß, du bist in die verknallt?“
    „Was? Ich? Nee! Wieso denn?“, dementierte ich sofort.
    „Gut. Ansonsten hätte ich dich nämlich daran erinnert, dass sie ein Vogel ist.“
    „Eigentlich ist sie ein Mädchen“, entgegnete ich. „Ein sehr schönes sogar.“
    „Es hat dich also doch erwischt!“, stöhnte Strom-Tom auf. „Ich hab‘s doch gleich gewusst. Immer wenn du von ihr redest, sondert dein Bauch so eine Flüssigkeit ab. Und das bitzelt dann an meinen Kontakten. Ein ganz typisches Symptom für Verliebtsein.“
    „Ach, Quatsch“, erwiderte ich. „Ich hab mir nur den Magen verdorben. Bestimmt hab ich was Falsches gegessen. Ach ja, einen Strom-Tom!“ Ich versuchte ein Lachen, aber es hörte sich falsch an.
    „Glaub mir, ich war schon in vielen Mägen. Ich hab Erfahrung, was so was angeht.“
    Strom-Tom schwieg einen Moment lang, und auch ich wusste nicht so recht, was ich sagen sollte.
    „Was Elenor angeht …“, fuhr Strom-Tom schließlich fort. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Chef die irgendwo in einem Käfig gefangen hält. Für den Fall, dass du ihm noch einmal in die Quere kommst. Verstehst du?“
    „Du meinst, er hat sie als Geisel genommen?“
    „Ja, so was in der Art.“
    Ich überlegte. „Und wie hilft uns das weiter?“
    „Tja …“, erwiderte Strom-Tom und verstummte.
    Eine Zeit lang war es wieder gespenstisch still auf dem alten Markplatz. Ich sah zur Turmuhr hinauf. Es war elf Uhr fünfunddreißig. Die Turmuhr hatte ihren halbstündigen Glockenschlag verpasst. So lange ich denken konnte, war das noch nie passiert.
    „Warum suchen wir nicht dort, wo wir Elenor das letzte Mal gesehen haben?“, fragte ich. „In dem unterirdischen Bildschirmschoner-Raum.“
    „Hmh …“, murmelte Strom-Tom. „Ja, na gut, warum nicht? Einen Versuch ist es wert.“

Herr Langlöffler

    Hinter mir ertönte eine Fahrradklingel. Nach der ganzen Stille war das Geräusch unglaublich laut und schrill. Erschrocken drehte ich um. Herr Langlöffler, unser Postbote, kam mit seinem gelben Postfahrrad aus der kleinen Gasse neben dem Rathaus gefahren. Er klingelte noch einmal und winkte mir zu – wie jedes Mal, wenn er mich sah. Ein warmer Schauer von Normalität erfasste mein Herz.
    „Da kommt jemand“, flüsterte ich Strom-Tom zu und rief dann laut: „Hallo, Herr Langlöffler!“
    Immer noch winkend fuhr er über den Marktplatz, was streng genommen überhaupt keine gute Idee war, da das Kopfsteinpflaster mindestens genauso uneben wie alt war. Doch Herr Langlöffler schien das nichts auszumachen. Mit erstaunlichem Geschick und völlig unfallfrei lenkte er das schwere Postfahrrad einhändig über die Berge und Schluchten der unterschiedlich großen Steine, bis er direkt neben mir zum Stehen kam.
    „Guten Morgen, Dodo!“
    Er war groß, dünn, alles in allem ziemlich unscheinbar und seit über zwanzig Jahren unser Briefträger. In all der Zeit hatte er sich äußerlich kaum verändert. Nur sein ohnehin spärliches Haar hatte sich dazu entschieden, seinen Hinterkopf zu verlassen und eine kreisrunde Lichtung zu hinterlassen. Wenn Herr Langlöffler jedoch seine blaue Briefträgermütze trug, sah er noch genauso aus wie der Mann, den ich schon als kleiner Junge zwischen den Küchenfenstergardinen hindurch bei seiner Arbeit beobachtet hatte.
    „Wie geht‘s denn deiner Omi?“, fragte er. „Hat sie immer noch solche Bauchbeschwerden?“
    Für einen kurzen Moment dachte ich daran, ihm die Wahrheit zu erzählen. Dann fiel mir ein, dass ich die Wahrheit gar nicht kannte und sagte stattdessen: „Es geht ihr leider nicht so gut.“
    Herr Langlöffler presste die Lippen zusammen und nickte nachdenklich. „Das ist schade. Wirklich jammerschade.“ Er hörte auf zu nicken und sah mich an. „Aber bestimmt geht es ihr bald besser. Mach dir keine Sorgen. Ich habe übrigens Post für euch.“ Er lächelte und öffnete eine der Taschen, die sich in dem Korb vor seinem Lenker befanden, als müsse er sich vergewissern, dass noch alles da war. „Ich bring sie gleich als Nächstes zu deiner Omi.“
    „Da wird sie sich freuen“, sagte ich, um das Gespräch zu beenden.
    Herr Langlöffler sah verträumt an mir vorbei auf den leeren Marktplatz. „Mach‘s gut, Dodo. Pass auf dich auf.“
    „Mach ich,

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