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Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Titel: Von Lichtwiese nach Dunkelstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivar Leon Menger , John Beckmann
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die Luft und rief: „Ich war das nicht!“
    Strom-Tom stöhnte auf. „Warum hört eigentlich nie jemand auf mich?“
    „Ich hab wirklich nichts gemacht!“, beteuerte ich noch einmal und präsentierte weiter meine Handflächen.
    Elenors kleiner Körper streckte sich nach vorne. „Da ist etwas drin.“ Sie stieß ein helles Piepsen aus. „Das ist der Löffel!“
    Ich nahm meine Hände runter und beugte mich ebenfalls vor. Auf einem Samtkissen mit Kordelrand lag der rot-gelb gestreifte Löffel.
    „Wir haben ihn tatsächlich gefunden!“, rief ich.
    „Wir müssen ihn zu Tante Hablieblieb bringen“, zwitscherte Elenor.
    „Warte!“, bremste Strom-Tom. „Das ist doch alles viel zu einfach.“
    „Aber der Löffel ist hier“, hielt ich dagegen. Er lag direkt vor mir. Es war so einfach. Ich musste ihn nur nehmen. Also griff ich danach.
    Ein lautes Knacken hallte durch den Bildschirmschoner-Raum, und ich erstarrte.
    „Das würde ich nicht machen!“, brummte eine Stimme aus unsichtbaren Lautsprechern.
    „Oh, äh, hallo … hallo, Chef“, stammelte Strom-Tom.
    Der große, schwere Mann am Mikrofon beachtete ihn nicht. „Das ist mein Löffel, Dodo! Wenn du ihn nimmst, lass ich euch nie mehr hier raus.“
    Meine Hand hing regungslos über dem Samtkissen und dem rot-gelben Gegenstand darauf.
    „Dann werdet ihr hier drinnen verrotten“, fuhr der Mann fort. „Und du willst doch noch nicht sterben … oder, Dodo?“
    Ich überlegte kurz, zog meine Hand zurück und fragte: „Wo ist Omi?“
    „Deiner Omi geht es gut. Mach dir keine Sorgen. Sie hat mir den Löffel gebracht, und ich habe sie wieder nach Hause geschickt.“ Der Mann rutschte näher ans Mikrofon heran, das Leder des Ohrensessels quietschte. „Und dahin solltest du jetzt ebenfalls gehen, Dodo. Nach Hause. Dein Auftrag ist erledigt.“
    „Der Löffel gehört Tante Hablieblieb“, zirpte Elenor aufgebracht.
    „Tante Hablieblieb …“ Der Mann lachte. „Was für ein kindischer Name! Wer denkt sich so was nur aus?“
    „Unser Land braucht den Löffel!“, piepste Elenor.
    „Für was denn?“, fragte der Mann verächtlich. „Damit ihr euch lustige Namen geben und euch in Tiere verwandeln könnt? Das ist doch lächerlich! Ich werde mit dem Löffel etwas Sinnvolles anstellen. Ich werde Fabriken bauen, Arbeitsplätze schaffen, Ordnung in das ganze Chaos bringen.“
    „Mac Igor hat den Löffel für uns geschaffen“, hielt Elenor dagegen. „Damit wir in Freiheit leben können.“
    „Mir kommen gleich die Tränen“, behauptete der Mann, obwohl er sich überhaupt nicht traurig anhörte. „Der Löffel wurde für mich gemacht, damit ich Igors Fehler korrigieren kann!“
    „Dodo …“ Elenor pickte in den Kragen meines T-Shirts. „Schau dir den Löffel ganz genau an! Er ist rot-gelb gestreift. Rot-gelb gestreift! Und es ist ein Löffel!“
    Ich nickte, ohne zu wissen, worauf Elenor eigentlich hinauswollte.
    „So was wird doch nicht erfunden, um etwas Böses zu machen!“, piepste sie.
    „Aber …“ Ich überlegte. „Aber …“, begann ich von neuem und verstummte abermals. „Aber Fabriken zu bauen, um Arbeitsplätze zu schaffen …“, sagte ich schließlich. „Ist das denn etwas Böses?“
    „Natürlich nicht!“, rief der große, schwere Mann.
    „Nimm den Löffel und wünsch uns zu Tante Hablieblieb!“, zwitscherte Elenor. „Dann sind wir in Sicherheit.“
    Ich sah in ihre kleinen Sperlingsaugen. Mein Gesicht spiegelte sich darin wie in schwarzen Goldfischgläsern.
    „Dodo, bitte … du musst mir vertrauen!“
    Ich griff nach dem Löffel. „Ich vertraue dir. Und wenn man einen Fehler begangen hat, muss man ihn wieder ausbügeln.“
    „Strom-Tom!“, dröhnte es aus den unsichtbaren Lautsprechern. „Halt ihn auf! Setz ihn sofort unter Strom!“
    Ich hielt inne.
    „Das ist ein Befehl!“, schrie der große, schwere Mann, doch nichts passierte. Kein Blitz durchzuckte meinen Körper, kein elektrischer Schlag setzte mich außer Gefecht.
    „Ich bring uns hier raus“, sagte ich. „Alles wird gut.“
    Dann schloss ich meine Augen, leckte an dem Löffel und dachte an den Palast mit den glücklichen Muscheln und den sensiblen Apfelbäumen.
    Lange Zeit passierte gar nichts. Dann breitete sich ein säuerlich-bitterer Geschmack in meinem Mund aus. Ich öffnete die Augen und sah mich verwirrt um. Wir befanden uns noch immer in dem Bildschirmschoner-Raum.
    „Was ist los?“, zirpte Elenor.
    „Irgendwas ist schiefgelaufen“, sagte

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