Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Titel: Von Lichtwiese nach Dunkelstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivar Leon Menger , John Beckmann
Vom Netzwerk:
Herr Langlöffler. Sie auch.“
    Er trat in die Pedale und fuhr davon. Ich sah dem gelben Postfahrrad nach, bis es hinter Meyers Fleischerei verschwand, und fragte mich, welchen höheren Sinn es haben konnte, dass der letzte Mensch im Dorf ein Briefträger war.
    „Ist er weg?“, flüsterte Strom-Tom in meinem Bauch.
    „Ja.“
    „Was stehst du dann noch hier rum?“
    „Ich hab nachgedacht“, sagte ich. „Und … ich wollte dir noch danken.“
    „Danken? Mir? Wofür denn? „
    „Dafür, dass du mich im Bildschirmschoner-Raum nicht unter Strom gesetzt hast. Obwohl dein Chef es dir befohlen hat.“
    „Ach, weißt du … unter uns gesagt, hatte ich schon lange keine Lust mehr auf den Job. Und irgendwie hat es mir in der anderen Welt auch viel besser gefallen. Außerdem ist Tante Hablieblieb ein viel netterer Name als Chef.“
    „Ja, das stimmt“, sagte ich. „Es war wirklich schön in Lichtwiese.“
    „Und … da ist noch was anderes“, sagte Strom-Tom.
    „Und was?“
    „Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll …“, druckste er herum.
    „Spuck‘s einfach aus.“
    „Okaykay. … Ich mag dich. Irgendwie.“
    Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, allerdings versuchte ich es auch gar nicht erst. „Hört, hört! … Der kleine Strom-Mann wird langsam sentimental.“
    „Das sind meine alten Impulse“, spielte Strom-Tom es herunter. „Komm, lass uns weitergehen.“
    Ich hatte keine drei Schritte getan, als hinter mir erneut eine Fahrradklingel erklang. Ich drehte mich um und starrte ungläubig auf das gelbe Postfahrrad, das ein weiteres Mal aus der dunklen Gasse neben dem Rathaus kam. Wieder winkte Herr Langlöffler mir freundlich zu.
    „Da ist schon wieder unser Briefträger“, sagte ich verwirrt.
    „Der hat sich doch gerade erst verabschiedet!“, sagte Strom-Tom.
    Verwirrt schaute ich zur Fleischerei hinüber, hinter der Herr Langlöffler vor wenigen Minuten verschwunden war. „Vielleicht ist er im Kreis gefahren?“
    „Macht der das öfter?“, fragte Strom-Tom, doch das Postfahrrad war bereits zu nah, um noch zu antworten.
    „Guten Morgen, Dodo!“, grüßte Herr Langlöffler.
    „Lange nicht gesehen“, sagte ich und versuchte mich an einem unbeschwerten Lachen, welches, wie nicht anders zu erwarten, misslang.
    „Wie geht‘s denn deiner Omi? Hat sie immer noch solche Bauchbeschwerden?“
    Ich sah ihn verdutzt an. „Äh, ja. Immer noch. Aber das … das haben Sie mich doch gerade eben schon gefragt. Oder?“
    Herr Langlöffler nickte. „Das ist schade. Wirklich jammerschade. Aber bestimmt geht es ihr bald besser. Mach dir keine Sorgen. Ich habe übrigens Post für euch.“ Wieder öffnete er die Tasche vor seinem Lenker und warf einen flüchtigen Blick hinein. „Ich bring -“
    „Das haben Sie mir doch schon alles erzählt!“, unterbrach ich ihn aufgeregt.
    „… zu deiner Omi“, beendete Herr Langlöffler seinen Satz.
    „Strom-Tom, bitte sag mir, dass ich nicht verrückt bin!“
    „Du bist nicht verrückt“, entgegnete Strom-Tom ruhig. „Euer verwirrter Briefträger erzählt tatsächlich immer dasselbe.“
    Herr Langlöffler lächelte zufrieden. „Mach‘s gut, Dodo. Pass auf dich auf.“
    Dann fuhr er davon.
    „Glaubst du mir jetzt?“, fragte ich.
    „Ist schon ziemlich seltsam“, gab Strom-Tom zu.
    „Bei meiner Omi war‘s genauso. Sie hat immer dasselbe erzählt – ganz egal, was ich gesagt habe!“
    „Ich will dich nicht unnötig beunruhigen … aber das sieht mir überhaupt nicht nach den typischen Gleitstrom-Symptomen aus.“
    „Was ist es dann?“
    „Ich hab nicht die geringste Ahnung, Dodo …“
    Ich dachte nach. „Wir müssen in den Bildschirmschoner-Raum und Elenor finden. Vielleicht weiß sie mehr.“
    „Dann sollten wir uns lieber auf den Weg machen, bevor der Typ zum dritten Mal hier vorbeikommt.“
    Ich nickte und ging los.
    Wahrscheinlich lag es an mir, aber das Kopfsteinpflaster kam mir heute wesentlich ebener vor als sonst.

Böse Überraschung!

    Als ich umständlich über den nicht einmal hüfthohen Jägerzaun stieg und an der Hauswand entlang zum rückwärtigen Garten schlich, war es verdächtig ruhig. Der Roboter, der aussah wie meine Omi, war nicht mehr zu hören, und auch das grüne Monstrum war inzwischen verstummt. Vorsichtig spähte ich um die Hausecke. Die Terrasse war leer.
    „Bestimmt ist er hineingegangen“, hauchte ich und nickte zur offenstehenden Tür, obwohl nach Elenors Verschwinden niemand mehr da war, der die Geste hätte

Weitere Kostenlose Bücher