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Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Titel: Von Lichtwiese nach Dunkelstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivar Leon Menger , John Beckmann
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den Rest fertig.“ Ihr Gesicht erschlaffte, als wäre mit einem Schlag alle Kraft aus dem kleinen Körper entwichen. Oder als hätte ihr jemand den Strom abgedreht. „Und nicht vergessen: Das Rasenstück vor dem Schuppen darfst du nicht mähen, verstanden?“
    Ich sah zu ihr hinauf. Frische Tränen liefen über meine Wangen. „Omi, was … was ist mit dir?“
    Hinter mir tuckerte weiterhin das grüne Monster. Sonst passierte nichts. Die Show war vorüber.
    Plötzlich sprang Omi auf und sah zum Rasen hinüber. „Und mäh mir schön ordentlich am Rasen entlang!“ Ihr Mund verformte sich und stieß ein Lachen hervor.
    Erschrocken wich ich zurück und landete mit dem Hintern voran in den Geranien.
    „Das letzte Mal hast du die ganzen Brennnesseln abgeschnitten“, rief Omi in den leeren Garten hinaus.
    Doch das war nicht meine Omi. Sie konnte es nicht sein. Es war lediglich eine Kopie von ihr. Ein seelenloser Roboter.
    „Hier, mein Junge, mach mal eine kleine Pause“, sagte die Maschine, hob das Tablett vom Tisch und stellte es gleich darauf wieder zurück. „Ich hab dir extra einen schönen Brennnessel-Tee gemacht.“
    Ich musste etwas unternehmen. Ich musste Omi retten. Und Elenor. Und Strom-Tom.
    „Omi, ich muss noch mal kurz weg.“ Meine Stimme zitterte. „Ich … ich glaube, ich hab gestern die Mülltonne nicht wieder ins Haus gebracht“, sagte ich und hoffte, dass der Roboter nicht wusste, dass mittwochs und nicht montags Müllabfuhr-Tag war.
    „Der wird dich beruhigen“, antwortete der Androide und goss Tee in die Tassen.
    Ich rappelte mich auf und stolperte über den schmalen Sandweg zur Straße. Ich drehte mich nicht noch einmal um. Ich hatte genug gesehen.
    Ich weiß nicht, wie lange ich ziellos durchs Dorf rannte. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wo ich nach Omi und den anderen suchen sollte und dennoch war es mir unmöglich, stehen zu bleiben. Ich hätte gerne jemanden gefragt, ob er mir helfen könne, ob er Omi vielleicht gesehen habe – doch es war niemand zum Fragen da. Egal wohin ich lief, nirgendwo traf ich andere Menschen. Das Dorf war wie ausgestorben.
    Vor Erschöpfung keuchend kam ich auf dem alten Marktplatz zum Stehen. Die Turmuhr zeigte elf Uhr vierundzwanzig. Eigentlich hätte das Kopfsteinpflaster, das beinah genauso alt war wie der Marktplatz selbst, jetzt voller Stände und Menschen seien sollen. Doch es war leer. Leer und verlassen.
    Ich schnappte nach Luft und stieß ein „Hallo?“ hervor. „Hallo? Ist hier jemand?“, brüllte ich so laut, dass mein Hals wehtat.
    Meine Stimme hallte hohl von den Fassaden der Fachwerkhäuser wider.
    Meine Omi war nicht die Einzige, die verschwunden war. Alle waren verschwunden. Alle außer mir. Ein Frösteln jagte meinen Nacken hinauf und meine Beine kribbelten.
    Plötzlich schallte es aus meinem Inneren: „Hat‘s geklappt?“
    Einen Moment lang sah ich mich verwirrt um, dann rief ich: „Strom-Tom! Du lebst!“
    „Natürlich lebe ich“, grummelte Strom-Tom. „Ich hatte nur einen kleinen Kurzschluss. Nicht mehr.“
    „Du lebst!“, rief ich gleich noch mal, weil es so schön war.
    „Bitte, Dodo … schrei doch nicht so rum! Ich fühl mich nicht so gut. ... Mein Plus-Minus glüht immer noch.“
    Ich war überglücklich, nicht mehr allein zu sein. „Ich hab keine Ahnung, was passiert ist, aber meine Omi ist verschwunden und stattdessen wohnt jetzt ein Roboter in unserem Haus!“, sprudelte es aus mir heraus. „Und Elenor ist ebenfalls verschwunden. Genauso wie der Rest des Dorfes. Alles ist ganz komisch hier! Es ist wirklich, wirklich unheimlich.“
    „Wo sind wir denn gelandet?“, fragte Strom-Tom, als hätte ich ihm das nicht gerade eben schon erzählt.
    „Zuhause!“
    „Aber dann hat doch alles geklappt.“
    „Eben nicht! Hier hat sich alles verändert!“
    „Zum Beispiel, dass deine Omi ein Roboter ist“, begann Strom-Tom zu verstehen.
    „Meine Omi ist kein Roboter“, berichtigte ich. „Da ist ein Roboter, der aussieht wie meine Omi.“
    „Woher weißt du, dass sie es nicht selbst war? Hast du irgendwelche Drähte oder Platinen gesehen?“
    Ich überlegte. „Nein, dieses Ding hat genauso ausgesehen wie sie, aber es hat sich ganz komisch verhalten! Es hat mir überhaupt nicht zugehört und immer dasselbe gemacht.“
    „Tun das nicht alle Menschen?“, fragte Strom-Tom.
    „Das war nicht meine Omi!“, beharrte ich.
    „Vielleicht stand sie auch unter Gleitstrom? Darauf reagiert jeder Mensch

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