Von Lichtwiese nach Dunkelstadt
ich mach doch wirklich nichts!“, versuchte ich zu erklären. So langsam bekam ich es mit der Angst zu tun. „Das ist mein Bauch, der da spricht – nicht ich!“
„Was ist denn da draußen bei euch los?“, wollte die Stimme wissen.
„Sehen Sie?“, fragte ich und zeigte auf meinen Bauch, obwohl es da überhaupt nichts zu sehen gab.
„Wirklich sehr beeindruckend“, kommentierte die Faltenfrau.
„Aber ich …“ Ich schüttelte den Kopf und verstummte.
„Wenn wir mehr über dein bisheriges Leben herausfinden, erfahren wir auch, warum du hier bist“, sagte die Statue. „Also, konzentrier dich!“
„Bestimmt hast du mal im Zirkus gearbeitet“, vermutete die Faltenfrau.
„Ich hab nie in einem Zirkus gearbeitet!“, rief ich voller Verzweiflung. „Das ist mein Bauch, der da redet! Mein Bauch! Verstehen Sie?“
Die Faltenfrau sah mich erschrocken an. „Ist ja gut, mein Junge. Ich hab‘s nicht böse gemeint.“
„Wollt ihr mich veräppeln?“, fragte mein Bauch. „Ich bin‘s doch! Der Strom-Tom!“
„Red mit ihm“, sagte die Statue. „Vielleicht kann uns dein Bauch mehr über dich erzählen.“
Irgendetwas stimmt hier nicht, dachte ich. Irgendetwas stimmt hier überhaupt nicht. Und dieses Gefühl kam mir auf einmal seltsam vertraut vor.
„Okay …“, sagte ich und atmete tief durch. „Hallo, Bauch.“
Ein tiefer Seufzer hallte meine Speiseröhre hinauf. „Oh, Mensch, Dodo … du warst ja schon vorher nicht der Hellste, aber jetzt wird es wirklich anstrengend mit dir.“
„Entschuldigung“, sagte ich und fühlte mich tatsächlich schlecht, weil ich nicht besser auf mein Gedächtnis aufgepasst hatte.
„Du heißt also Dodo“, stellte die Statue fest. „Das ist doch schon mal ein Anfang.“
„Verdammte V2-Box“, brummte mein Bauch. „Also gut, jetzt passt mal alle schön auf. Ich will das nämlich nicht zweimal erzählen müssen.“ Er macht eine Pause. „Ich bin der Strom-Tom, und ich befinde mich im Magen von Dodo. Die Frau mit der schönen Stimme ist Tante Hablieblieb und die Frau mit der alten Stimme ist Omi.“
„Was erlaubst du dir?“, fragte die Faltenfrau. „Ich bin doch nicht alt!“
„Sie sind Dodos Omi“, beharrte mein Bauch.
„Dodos Omi?“, echote ich und glotze die Faltenfrau an, welche ihrerseits mit einer Mischung aus Skepsis und Unglauben zurückstarrte.
„Ja“, sagte mein Bauch, „das ist deine Omi, Dodo.“
„Na gut“, sagte die Statue, „jetzt haben wir zumindest schon mal Namen für uns. Ob es unsere richtigen sind, können wir immer noch herausfinden.“ Sie wandte sich wieder an meinen Bauch. „Kannst du uns sagen, wie wir hierhergekommen sind?“
„Und ob ich das kann“, entgegnete Strom-Tom. „Der Chef hat uns gefangengenommen, weil wir versucht haben, den gestreiften Löffel zurückzuholen.“
Dann erzählte er uns die ganze Geschichte von Anfang an. Er berichtete, wie er in der Telefonzelle draußen an den Bahngleisen in meinen Mund gesprungen war. Er beschrieb, wie wir die alte Eis-Friedel getroffen hatten und über die Grenze gegangen waren. Er schwärmte von Lichtwiese und von unserer ersten Begegnung mit Elenor. Er schilderte, wie wir den rot-gelb gestreiften Löffeln gestohlen und gleich darauf hatten erkennen müssen, einen großen Fehler begangen zu haben. Er erzählte von unser Suche nach Omi, von dem vergifteten Löffel, von unserem Postboten Herrn Langlöffler, der Projektion Steinbrücker Teich Version 3.2 und davon, wie wir letztendlich doch noch erkannt hatten, dass wir die ganze Zeit über in einem riesigen Holo-Raum gefangen gewesen waren. Und er berichtete auch davon, wie wir in eine Welt zurückgekehrt waren, die nicht mehr dieselbe war, und wie uns die Soldaten gefangengenommen hatten.
„Das hört sich ja alles ganz spannend an“, sagte Tante Hablieblieb. „Aber warum kann sich keiner von uns daran erinnern?“
„Wegen der V2-Box“, sagte Strom-Tom. „Mit dem Ding haben die eure Gehirne angezapft, um eure Erinnerungen zu extrahieren. Und dabei dann anscheinend auch gleich alles gelöscht. Mich haben sie als Einzigen nicht erwischt, weil ich ja in Dodos Bauch war.“
Ich warf einen Blick in den Dachboden meines Verstandes, welcher plötzlich erschreckend leer war. „Und wo sind meine Erinnerungen jetzt?“
„Sehr wahrscheinlich auf einer externen Volatil-Memorybox.“
„Woher weißt du das alles?“, schaltete sich Omi ein.
„Ganz einfach“, entgegnete Strom-Tom. „Während Dodo über die
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