Von Lichtwiese nach Dunkelstadt
Für eine Maschine wirkte sie auf einmal erstaunlich ungehalten.
„Keine“, sagte Agerian. „Wir bleiben nicht hier. Wir müssen unsere Reise fortsetzen.“
Er machte Anstalten weiterzugehen, doch die Touristik-Einheit versperrte ihm den Weg. Ein hydraulisches Quietschen hallte die engen Häuserfluchten hinauf.
„Sie sind müde. Sie müssen schlafen. Sie müssen in einem Hotel schlafen. Bitte folgen Sie mir. Ich führe Sie in das beste Hotel der Stadt.“
„Sie verstehen nicht“, schaltete ich mich ein. „Wir sind nicht müde!“
Der federhutgeschmückte Kopf fuhr herum. „Nein, Sie verstehen nicht.“ Die Touristik-Einheit machte einen Satz nach vorne. „Sie sind sehr müde. Sie müssen sich ausruhen.“
„Ich bedaure, wenn wir Ihre Bräuche und Gepflogenheiten verletzt haben“, sagte Agerian. „Wir sollten jetzt am Besten gehen.“
„Sie bleiben. Sie nehmen sich ein Zimmer und schlafen.“ Aus der metallischen Handfläche schoss eine armlange Klinge hervor. „Niemand verlässt San Platino ohne Hotelbesuch.“
Omi sagte immer, man müsse auch nachgeben können, wenn man im Recht war. Ich nahm an, dass dieser Ratschlag ebenfalls galt, wenn das Gegenüber ein bewaffneter Roboter mit Verständnisschwierigkeiten war, also sagte ich schnell: „Stimmt, ja, Sie haben recht. Wir sind müde. Sehr müde sogar. Können Sie uns vielleicht ein gutes Hotel empfehlen?“
„Zufällig ja.“ Die Klinge verschwand wieder in der Handfläche der Touristik-Einheit. „Bitte folgen Sie mir.“
Stampfend führte die Einheit uns durch die engen Gassen. Die anderen Roboter hatten schlagartig ihr Interesse an uns verloren und gingen wieder ihren Tätigkeiten nach. Zwischen all dem Piepen und Surren glaubte ich, noch etwas anderes zu hören. Ein leises Quieken, das in einem Schnarren endete. Als ich mich umdrehte, sah ich gerade noch ein fußballgroßes, pelziges Wesen im Gedränge verschwinden.
„Dieses Waschhörnchen ist wieder da“, flüsterte ich.
Agerian nickte. „Es folgt uns, seit wir den Tunnel verlassen haben.“
„Kommen Sie“, krächzte die Touristik-Einheit. „Das Kubotel ist immer sehr schnell ausgebucht.“
Die dichten Häuserfassaden rissen auf und gaben den Blick auf einen großen Platz frei. Am Ende des Platzes ragte völlig deplatziert ein mindestens zwanzig Meter hoher, metallisch glänzender Würfel empor.
„Wir sind da“, krächzte die Touristik-Einheit. Sie positionierte sich neben der Stelle, die anscheinend der Eingang war und gebot uns einzutreten. „Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt.“
Im Kubotel
Die Eingangstür schloss sich mit einem Geräusch, als plane sie nicht, sich in absehbarer Zeit noch einmal zu öffnen. Die Lobby war in schummriges Licht getaucht. Rot-flauschiger Teppich flutete alle Höhen und Tiefen. Aus einem angrenzenden Raum klimperte Jazzmusik. Wir wateten zur Rezeption hinüber, wo eine Empfangsdame blau leuchtete. Auch das Kostüm, das sich knalleng über ihre metallenen Rundungen spannte, war blau. Nur die wasserstoffblonde Perücke auf ihrem Kopf bildete einen Kontrast.
„Herzlich Willkommen im Kubotel, die Herrschaften!“ Ihre Stimme schwamm zwischen Honig und Zigarrenrauch. „Hatten Sie eine angenehme Reise?“
„Geht so“, sagte ich, weil eine ehrlichere Antwort zu unhöflich gewesen wäre.
Die Rezeptionistin bohrte nicht weiter nach. „Ich bin Madame Blue und stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung.“ Ihr linkes Auge schloss sich zu einem Zwinkern. „Möchten Sie erst Ihr Gepäck auf Ihr Zimmer bringen, oder gleich auf einen kleinen Coco-Poco-Cocktail in die Bar gehen?“
„Wir reisen ohne Gepäck“, sagte Agerian.
„Dann würde ich Ihnen die Bar empfehlen.“ Sie schob ihren Körper hinter der Rezeption hervor. „Bitte folgen Sie mir.“
Mit erstaunlicher Leichtigkeit tippelten die beiden Metallpfeiler, die aus dem Minikleid ragten, durch die Lobby, drei Stufen hinauf und einen kurzen Flur hinunter. Die Musik wurde lauter. Decke und Wände der Bar waren vollständig verspiegelt, so dass es unmöglich war, Größe oder Form des Raums abzuschätzen. Alles kam ständig aufeinander zu, verschmolz und brach wieder auseinander. Mir war schwindelig, noch bevor wir den Tresen erreicht hatten.
„Bitte, meine Herren.“ Madame Blue wies auf die Barhocker. „Hier ist noch ein Plätzchen für Sie frei.“ Mit gleichmäßig rotierenden Bewegungen wickelte sie eine Kunsthaarsträhne um ihren Finger. Ich versuchte, nicht zu lange
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