Von Lichtwiese nach Dunkelstadt
Luftballons auf einem Kindergeburtstag. Kinder, Kinder, dachte ich noch, als weit weg etwas klirrte. Dann war auch ich weg.
„Was ist das?“, schrie Strom-Tom in meinem Bauch.
Ich riss die Augen auf, und mein Herz hüpfte mit zwei großen Sprüngen in meinen Hals hinauf. Ich war eingeschlafen, ich war tatsächlich eingeschlafen.
„Was ist das?“, schrie Strom-Tom wieder, doch es ging in einem seltsamen Quieken-Schnarren unter.
Zu meinen Füßen saß ein Eichhörnchen mit Waschbärschnauze und blinzelte mich aus großen Augen an.
„Es ist das Waschhörnchen!“, stieß ich hervor. „Keine Panik, es ist nur das Waschhörnchen.“
„Verflucht noch mal, hab ich mich erschrocken“, stöhnte Strom-Tom.
Das Waschhörnchen quiekte und schnarrte noch immer aufgeregt.
„Ja, ist ja gut“, sagte ich. „Du hast mich aufgeweckt. Du bist ein guter Junge. Ein guter, guter, guter Junge bist du.“
Das Waschhörnchen machte unvermittelt einen Satz zur Seite, und ich erstarrte. Direkt hinter der Stelle, an der es gerade eben noch gehockt hatte, keine zwei Meter von mir entfernt, kauerte etwas Dunkles. Ein Schatten. Er hielt meinem Blick etwa eine Sekunde lang stand, dann verschwand er zwischen den Sitzen, und ich schrie: „Agerian! Agerian, er ist hier!“, doch Agerian reagierte nicht, er antwortete auch nicht, er sackte einfach nur zur Seite weg, als ich ihm meinen Ellbogen in die Rippen rammte.
„Wer ist hier?“, brüllte Strom-Tom, und ein Knistern zog durch meinen Magen.
Ich versuchte panisch, den Gang, den Fußraum und den Bereich oberhalb der Sitze gleichzeitig im Auge zu behalten, was quasi unmöglich war. Der Schatten würde eine Lücke finden. Er würde eine Lücke finden, mich von hinten anfallen und seine blitzenden Krallen in mein Fleisch schlagen, weil ich nur in eine Richtung zurzeit gucken konnte.
„Strom-Tom!“, rief ich. „Wünsch uns sofort von hier weg!“
„Wohin?“
„Egal wohin. Einfach weg!“
Dann löste sich das Innere des Wüstenwurms auf und verschwand.
Der Brennnessel-Tee-Test 2
Ich fühlte mich, als hätte ich vierzehn Stunden auf meinem Gesicht geschlafen, nachdem ich mein Kopfkissen gegen ein Holzbrett eingetauscht hatte. Ich rollte mich auf die Seite und stöhnte auf. Vorsichtig öffnete ich die Augen.
„Hat es geklappt?“, fragte Strom-Tom in meinem Bauch.
„Hat geklappt“, kratzte etwas, das einmal meine Stimme gewesen war.
„Du hörst dich voll komisch an“, fiel auch Strom-Tom auf.
„Ich fühl mich auch voll komisch …“
„Der Schatten-Assassin ist weg?“, vergewisserte sich Strom-Klaus.
Ich sah mich um.
„Ja, ist weg.“
„Dodo?“, fragte Agerian. Er klang auf eine unbestimmte Weise ängstlich.
„Es ist alles okaykay“, sagte ich und rutsche zu ihm rüber.
„Ich fühle mich … irgendwie komisch.“ Mit großen Augen glotzte er in den Nachthimmel. Es war seine erste Löffelreise gewesen.
„Mach dir keine Sorgen, das ist alles ganz normal.“
Ich verabschiedete mich von dem nassen Rasen und klopfte meine Hose ab, was sich aufgrund der Matschflecken jedoch als nutzlos erwies.
Elenor stand auf der Terrasse und sah zu uns hinunter. Offenbar stand sie dort bereits eine ganze Weile.
„Alles in Ordnung?“, fragte ich.
„Ja, klar.“ Elenor lächelte, als wäre nichts passiert und wir bei meiner Omi nur zu Kaffee und Kuchen eingeladen. „Warum denn nicht?“
Mir fielen spontan gut ein halbes Dutzend Gründe ein.
„Ich gehe schon mal rein“, kam Elenor mir zuvor und tat es dann auch.
In dem Beet zwischen Wiese und Terrasse hatten vor vier Tagen noch Omis Rosen geblüht. Eine Handvoll blattloser Stängel war alles, was von ihnen geblieben war. Ich stutze. Etwas stimmte an dem Bild nicht. Es war tiefschwarze Nacht, kein Mond war zu sehen, doch trotzdem war es nicht dunkel. Verwirrt sah ich mich in Omis Garten um, bis ich den Grund dafür erkannt hatte. Der Rasen, die Erde, die blattlosen Stängel, der Geräteschuppen – von allem schien ein gräuliches Glimmen auszugehen. Nur von Agerian nicht.
„„Dodo“, zischte er und schnellte in die Höhe. „Da ist jemand!“ Offensichtlich hatte er seine Sehfähigkeit zurückerlangt.
Eine Nasenspitze lugte über den Bretterzaun. Auch sie leuchtete.
„Frau Koslowski!“, rief ich. „Was machen Sie denn hier?“
„Wo sollte ich denn sein?“, fragte Frau Koslowski zurück. „Ich wohne hier! Seit 52 Jahren!“
„Aber die Soldaten …“, setzte ich an.
„Die haben alle
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