Von Liebe und Gift
etwas in die Knie. Es sah aus, als würde er zusammensacken, doch dann fing er sich wieder ganz schnell und hangelte sich auf die Couch.
„Was hast du?“, wollte Francis sofort wissen. Ihr machte nicht nur Neals verwahrlostes Äußeres Sorgen, sondern inzwischen auch seine ganze Motorik. Er war verlangsamt, zögernd, wirkte schwach und zerbrechlich.
„Mir war nur etwas schwindelig“, antwortete Neal. „Ist wohl der Kreislauf.“ Er fuhr sich über das schmale Gesicht und schloss die Augen. Nach nur wenigen Sekunden schien es, als sei er eingeschlafen.
„Er sieht schlimm aus, nicht wahr?“, flüsterte Francis. Thilo nickte sofort.
„Ja.“ Er betrachtete Neal eindringlich und schüttelte dann den Kopf. „Also, wenn du mich fragst, lange hält er das nicht mehr durch …“
Francis zuckte zusammen und sah zu Boden. „Sag doch so was nicht“, zischte sie. Ihr Gesicht zeigte Furcht und gleichzeitig eine große Traurigkeit.
„Wie weit bist du eigentlich?“, fragte Thilo, auf Francis’ Bauch deutend. Es war das erste Mal seit langem, dass er sich in irgendeiner Weise zu der Schwangerschaft äußerte.
„Siebzehnte Woche“, berichtete Francis.
„Wisst ihr schon, was es wird?“, hakte Thilo nach, da schüttelte Francis den Kopf.
„Nein, ist auch egal, Hauptsache, das Kind ist gesund.“
„Das wird wieder ein Junge!“, ertönte plötzlich Neals Stimme wieder. Er richtete sich mühselig auf.
„Ich dachte, du schläfst?“ Francis blickte ihren Bruder verwundert an, und hoffte, dass er nicht das ganze Gespräch mitbekommen hatte.
„Woher willst du wissen, dass es wieder ein Junge wird?“, wollte Thilo wissen.
„Ich weiß es eben!“, erwiderte Neal. „Ich spüre das.“ Seine Augen funkelten.
Am Abend zogen sich Neal und Gero in die WG zurück. Genug Trubel begleitete momentan ihr Leben, und so genossen sie es beide zutiefst, einmal ganz ungestört zu sein.
„Sag mal, Kleiner“, unterbrach Neal die ruhige Stimmung zwischen ihnen, „was wünschst du dir eigentlich zum Geburtstag? Der ist ja schon bald.“
Erwartungsvoll sah Neal seinen Freund an, dabei strich er ihm mit den Fingerkuppen über das makellose Gesicht.
Gero zuckte nur mit den Schultern. „Ich wünsche mir nichts“, sagte er. „Du beschenkst mich schon immer genug.“
Neal lächelte. „Aber es muss doch irgendetwas geben, womit ich dir eine Freude machen kann“, sagte er. „Vielleicht wieder eine Party? Wie letztes Jahr?“
Da schüttelte Gero den Kopf. Ihm war wahrlich nicht nach Party zumute. Aber unmöglich wollte er gestehen, dass er sich nichts sehnlicher wünschte, als dass sein Freund endlich mit den Dogen aufhörte. Aber hätte er das gesagt, hätte es womöglich wieder Streit gegeben, und das wollte er nicht riskieren. Gero dachte an früher, als ihre Liebe noch ganz frisch und unbeschwert war. Er fiel in einen Tagtraum.
„Etwas gibt es doch, was ich mir wünsche“, sagte er. „Wonach ich mich manchmal sehne.“
Da wurde Neal sofort hellhörig. Er rutschte näher an Gero heran. „Und? Was ist es?“
„Ich würde mal gerne wieder … ausreiten …“ Geros Stimme klang leise. Er dachte daran, wie er früher auf dem Hof der Andersons oft im Stall gewesen und mit Neal Ausritte unternommen hatte. Neal war ein guter Reiter. Während Gero im Schritttempo hinter seinem Freund hergeritten war, galoppierte Neal über Stock und Stein. Gero hatte Neal stets dafür bewundert.
„Wie du aussahst auf dem Pferd“, schwärmte Gero, „wunderbar. Dein Haar wehte im Wind, und du wirktest dabei irgendwie mächtig …“
Seine Träumerei wurde von Neals Lachen unterbrochen. Und als Gero seinen Kopf drehte, musste er feststellen, dass sich sein Freund seitdem ziemlich verändert hatte - und nicht nur äußerlich.
„Ausreiten?“, wiederholte Neal. Er grinste, doch dann nickte er verständnisvoll. „Mal sehen, was sich machen lässt.“
„Oh, das wäre toll!“, schoss es aus Gero heraus. Er drehte sich abrupt, um seinen Freund zu umarmen, doch Neal zuckte verstört zurück.
„Ah, nicht so stürmisch!“, bat er. Sanft drückte er Gero von sich, aber der verstand überhaupt nicht, warum Neal sich aus der Umarmung sofort wieder lösen wollte.
„Was hast du denn plötzlich?“
Neal drehte sich auf den Rücken, dabei strich er sich sanft über die Arme. Er hatte ein Longsleeve an, was ziemlich ungewöhnlich war. Ansonsten schlief er mit freiem Oberkörper oder mit T-Shirt. Nun machte es den
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