Von Liebe und Gift
mittlerweile in der WG mit Thilo gut eingelebt.
Mit Neal zusammen lebten nur noch seine zwei Hunde und sein Diener Ralph, der augenblicklich unterwegs zu sein schien, denn sein Wagen stand nicht vor der Tür. Francis war ganz mulmig zumute, als sie das Haus betrat. Sie konnte sich noch immer nicht erklären, warum Neal so einfach die Klinik verlassen hatte. Unsicher sah sie sich um. „Neal?“, rief sie durchs Haus, „wo bist du?“
„Hier!“ Es kam aus dem Wohnzimmer, wo Neal auf dem Sofa lag. Er war blass. Das Pflaster hatte er von der Stirn abgenommen. Nun sah man dort deutlich die Schürfwunde. Doch das war nicht das Schlimmste. Schlimmer war, dass er Francis mit verzweifelten Augen ansah. Er sah mitgenommen aus, rastlos und ängstlich. Die Arme hatte er verkrampft um den Bauch gelegt, als wüsste er nicht, wohin mit seinen nervösen Händen.
„Bist du noch zu retten?“, schrie Francis sofort los, als sie ihren Bruder dort so liegen sah. „Du kannst doch nicht einfach die Klinik verlassen!“
Beschämt sah Neal zur Seite. „Bitte, schimpf nicht mit mir“, sagte er. Er schloss die Augen, versuchte sich bequemer hinzulegen, doch es schien, als könne er sich auf dem Sofa nicht wirklich entspannen. Unzufrieden drehte er sich von einer Seite zur anderen und setzte sich schließlich auf.
„Was hast du denn bloß?“, fragte Francis besorgt. Sie strich ihm über die Haare, die strähnig in sein Gesicht fielen. „Ist es der Kreislauf?“
Neal schüttelte den Kopf. Wie sollte er es ihr erklären? Mit großen Augen sah er sie an.
„Es ist nicht der Kreislauf. Ich bin nur einfach …“ Er stoppte und sah auf den Boden. „Oh, Mann, ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll.“ Er rieb sich nervös die Hände, konnte an nichts anderes denken, als an … Sollte er es sagen? Aber was würde das bringen? Sie konnte ihm nicht helfen. „Oh, Shit! “, fluchte Neal. Er verzog sein Gesicht. Dann stand er auf. Doch sein Stand war nicht sicher. Die ganzen Tabletten hatten ihn ganz duselig gemacht, doch sie konnten sein unstillbares Verlangen nicht hemmen. Verkrampft hielt er sich an der Lehne des Sofas fest. Als Francis das sah stand für sie eins fest:
„Du musst zurück ins Krankenhaus. Du bist ja völlig durch den Wind!“
Sie drehte sich zum Mobiltelefon, welches am Sofa stand, da fing Neal sofort an zu schreien.
„Nein, nicht! Ich will nicht zurück!“ Seine Hände wanderten an seinen Kopf, aber genau so schnell presste er sie auch wieder an den Körper. Er ging ein paar Schritte, bis er verzweifelt auf einem Sessel Platz nahm. „Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich kann nicht mehr. Ich kann nicht mehr …“
Er zog seine Beine an den Körper und krümmte sich auf dem Sessel wie ein Embryo.
„Was ist denn los?“, fragte Francis erneut. Sie war ganz blass geworden. Es machte ihr Angst, ihren Bruder so zu sehen. Schließlich griff sie doch nach dem Telefon. „Ich rufe einen Arzt, ob du willst oder nicht.“
Nach einigen weiteren Minuten Diskussion hatte Neal schließlich zugelassen, dass Francis Dr. Andreas Greve anrief. Andy war fast ein Freund der Familie und betreute die Andersons schon seit Jahren, wenn es um gesundheitliche Probleme ging. Vielleicht konnte sich Neal ihm anvertrauen?
Neal war längst im Schlafzimmer verschwunden, als Andy klingelte. Francis atmete auf, als sie den Arzt sah. „Gut, dass du kommst“, sagte sie. „Ich weiß nicht, was mit Neal ist. Er ist so komisch.“ Sie gingen ins Wohnzimmer, wo Francis schilderte, was vorgefallen war.
Andy runzelte die Stirn, als er alles hörte. „Hat es was mit der Schlägerei zu tun?“
Francis zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Sie seufzte tief. „Ich denke, er hätte im Krankenhaus bleiben sollen, aber sieh ihn dir selbst an.“ Sie deutete nach oben.
Neals Schlafzimmer war abgedunkelt, nur die Nachttischlampe brannte. Als sich die Tür öffnete und Francis mit Andy eintrat, huschte ein Lächeln über Neals angespanntes Gesicht.
„Andy, schön dich zu sehen.“
Der Arzt lächelte ebenfalls, trat an das Bett. Sein erster Blick wanderte auf Neals Verletzung an der Stirn. „Das muss ja eine ordentliche Auseinandersetzung gewesen sein“, stellte er fest. Er setzte sich ans Bett. „Aber das wird in ein paar Tagen wieder weg sein. Ist dir noch etwas passiert?“
„Er hat eine Stichverletzung am Arm“, mischte sich Francis ein. Sie sah noch immer sehr besorgt aus.
„Das geht schon“,
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