Von Liebe und Gift
aber ich bekomme nichts. Nur Medikamente, die nicht helfen.“
Geros Gesichtausdruck wurde noch betroffener, als er das hörte. Er konnte sich kaum vorstellen, dass sein Freund so schlecht versorgt war. „Das ist ja furchtbar“, äußerte er sich mitfühlend.
Neal seufzte und lehnte sich an den Fensterrahmen, sah apathisch nach draußen. Mit dem geschundenen Gesicht und den ungekämmten Haaren sah er wirklich mitleiderregend aus.
„Es treibt mich zum Wahnsinn“, sprach er weiter. „Ich bin so müde, aber mein Kopf hämmert, und in meinem Arm sticht es ständig … unerträglich.“
„Armer Neal …“, sagte Gero erschüttert.
Neal überlegte. Als er zu Ende geraucht hatte, drückte er die Zigarette auf dem Fenstersims aus und drehte sich um.
„Kannst du nicht noch einmal mit dem Arzt reden?“, fragte er, während er sich näherte. „Du bist doch auch Mediziner. Du kannst ihm die Situation doch sicher schildern. Ich brauche was stärkeres. Ich halte das sonst nicht mehr aus.“
Geros Stirn legte sich in Falten. „Also vorhin habe ich mich mit dem Arzt fast angelegt. Ich weiß nicht, ob er noch mit sich reden lässt.“
Nun kam Neal noch näher. Er umarmte seinen Freund zärtlich, drückte ihn an sich und klang wirklich verzweifelt: „Tu es für mich, Kleiner. Bitte. Oder willst du, dass ich weiterhin Schmerzen habe?“
Gero löste sich, schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht.“ Er nickte gefasst. „Ich werde noch mal mit dem Arzt reden.“
Kurze Zeit später fand sich Gero erneut im Arztzimmer wieder. Zu seinem Erstaunen kam der Arzt ihm sogar ohne große Diskussion entgegen.
„Wissen Sie“, sagte der, während er Notizen in Neals Krankenakte machte. „Ich habe wirklich keine Lust mehr darüber zu fachsimpeln. Ihr Freund wird von uns stärkere Medikamente erhalten und auch etwas gegen Unruhe.“
Gero triumphierte innerlich. Er hatte es doch tatsächlich geschafft, den Arzt zu überzeugen. Neal würde sicher stolz auf ihn sein.
„Wir geben ihm versuchsweise Dipidolor als Injektion gegen Schmerzen, und gegen Unruhe kann er gerne Diazepam haben.“
Schlagartig stockte Gero der Atem. Er lehnte sich vor, starrte auf die Krankenakte und dann auf den Arzt. „Dipi und Diazepam? Sind Sie verrückt? Das ist viel zu stark und macht abhängig.“
Nickend atmete der Arzt aus. „Ich weiß. Aber alles andere haben wir schon ausprobiert.“
Gero schüttelte den Kopf. „Das kann doch nicht sein?“
„Doch“, erwiderte der Arzt. „Verstehen Sie nun, warum ich mir Sorgen mache?“
Es war am nächsten Nachmittag, als Francis mit Christen zusammen in der Anderson Firma neue Stoffe begutachtete und das Telefon ging.
Genervt nahm Francis ab. Der Stress in der Firma war ihr ins Gesicht geschrieben, aber sie lächelte sofort, als sie hörte, dass ihr Bruder am anderen Ende der Leitung war.
„Das ist ja lieb, dass du anrufst“, sagte sie. „Ich hätte dich nachher noch im Krankenhaus besucht. Wie geht es dir denn?“
Sie hörte ein gequältes Atmen. Schon jetzt merkte sie, dass mit Neal etwas nicht stimmte.
„Beschissen geht es mir“, antwortete er wahrheitsgemäß. Francis wurde hellhörig.
„Aber wieso das?“, hakte sie nach. „Behandeln die dich denn nicht richtig?“
„Ich bin nicht mehr im Krankenhaus, sondern Zuhause“, hörte sie Neal sagen. Seine Stimme war leise, und er klang hektisch.
„Aber wieso das?“, fragte Francis verwundert. Jetzt sah auch Christen auf. Dass etwas nicht in Ordnung war, lag auf der Hand. „Die können dich doch nicht einfach entlassen, obwohl du noch nicht wieder gesund bist!“ Francis war sichtlich empört. Aber sogleich fiel Neal ihr ins Wort:
„Die haben mich auch nicht entlassen. Ich bin alleine gegangen.“ Er atmete erneut angestrengt. „Bitte, kannst du kommen? Ich kann nicht mehr …“
Es klang wirklich verzweifelt, und allmählich bekam es Francis mit der Angst zu tun.
„Natürlich komme ich zu dir. Ich bin in zehn Minuten da!“
Mehr sagte sie nicht. Als sie aufgelegt hatte, griff sie nach ihrer Jacke. Christen blickte sie fragend an.
„Meinem Bruder geht es nicht gut“, schilderte Francis. „Ich muss zu ihm.“
So schnell wie sie konnte, schloss Francis die Tür zu Neals Haus auf. Hier lebte er alleine, hatte einen großen Garten mit Pool, ein Tonstudio im Keller, alles in allem war das Haus viel zu groß für ihn. Doch mit seiner eigenen Schwester konnte er unmöglich zusammen ziehen. Und Gero hatte sich
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