Von Liebe und Gift
lachen. „Papi und Gero knutschen! Papi und Gero knutschen!“, rief er, so dass sich Gero sofort wieder umdrehte.
„Das ist nicht lustig, kleiner Mann. Gleich wirst du geknutscht!“
Nicholas lachte lauter und rannte in den Flur. Gero folgte zügig. „Na warte!“
Ebenfalls amüsiert über diese Szene, lehnte sich Neal wieder zurück ins Sofa. Er hatte heute ein dunkelblaues Hemd an und eine schwarze Cordhose. Sein Haar glänzte, seine Haut wirkte frisch, doch unheimlich blass. Als er seine Schwester erblickte, huschte ein Lächeln über sein schmales Gesicht. Aber das verschwand auch ganz schnell wieder, als er ihre Worte vernahm:
„Weißt du, wer vor der Tür steht? Die Polizei.“
Neal zuckte mit den Schultern. „Ja, und? Was geht mich das an?“
„Sie suchen einen Mann, einen Samuel Falkenberg“, antwortete Francis forsch, dabei beobachtete sie ihren Bruder genau. Und der zuckte auch sofort zusammen, als er den Namen des Mannes hörte, der gesucht wurde.
„Wen?“, fragte er erschrocken. In seiner Stimme schwang eine plötzlich aufkeimende Nervosität mit.
Francis verdrehte die Augen. Sie hatte auf irgendwelche Spielchen keine Lust mehr.
„Tu nicht so!“, erwiderte sie. „Du brauchst uns nichts vormachen. Die haben uns ein Foto gezeigt. Dieser Samuel, das ist dein smarter Freund Sam!“
Neal erhob sich hastig. Seine Stirn hatte sich in Falten gelegt. Und wie immer, wenn er nachdenken musste, um einen klaren Gedanken fassen zu können, zündete er sich eine Zigarette an.
„Shit!“, fluchte er. „Was wollen die von Sam?“
Da lachte Francis höhnisch auf. „Als ob du das nicht wüsstest!“, keifte sie. „Er wird wegen Drogenhandels gesucht!“
Neal konnte daraufhin nur fassungslos den Kopf schütteln, und dann kam auch Gero zurück ins Wohnzimmer. Er war vom Toben mit Nicholas ganz außer Puste, und doch hatte er die letzten Worte zwischen den Geschwistern mitgehört.
„Ja, stell dir vor, Neal!“, begann er aufgeregt. „Dein Freund Sam, der dealt! Na hoffentlich hast du ihn nicht zu sehr in deine Musikgeschäfte mit eingeweiht.“
„Musikgeschäfte?“, wiederholte Neal perplex. „Wieso Musik?“
Nun machte Gero ein verwirrtes Gesicht. „Ich dachte, er hat was mit deiner Band zu tun … Deswegen trefft ihr euch doch ständig, oder nicht?“
Da fasste sich Francis stöhnend an den Kopf. „Mensch, Gero! Merkst du es denn nicht? – Dieser Sam ist ein Dealer! Neals Lieferant! Dieser Arsch besorgt Neal Stoff, da ist nichts mit Musikgeschäften!“
Geros Mund öffnete sich sprachlos. Er konnte nicht glauben, was er hörte. Er hatte immer angenommen … Wie naiv war er gewesen?
„Ist das wahr?“ Er schluckte. „Du hast mir immer was anderes erzählt!“, warf er seinem Freund schließlich vor. Neal seufzte.
„Ich weiß.“ Es klang angenervt. Schließlich verschwand Neal im Flur, um sich seine Lederjacke anzuziehen.
„Was hast du vor?“, wollte Francis sofort wissen.
„Was wohl?“, entgegnete Neal gereizt. „Ich muss zu Sam, ihn vor den Bullen warnen.“
„Du willst ihn auch noch schützen?“ Nun fiel Francis gar nichts mehr ein. „Das ist doch nicht dein Ernst?“, rief sie empört.
„Er ist mein Freund“, erklärte Neal, während er seinen Schlüssel einsteckte.
„Toller Freund, der einen zur Sucht bringt!“, schrie Francis weiter. Sie gab sich keine Mühe mehr, ihre Lautstärke zu zügeln. Im Augenwinkel sah sie, wie Gero den kleinen Nicholas ins Kinderzimmer schickte. Musste der Junge denn das alles so hautnah mitbekommen? Sie schloss verbittert die Augen. Wieder musste sie feststellen, dass ihr Bruder gelogen hatte und anscheinend wenig gewillt war, ohne Drogen auszukommen.
„Sam hat mich nicht zur Sucht gebracht“, gab Neal sofort zu verstehen. „Er besorgt mir nur das, was ich brauche. Und ich werde ihn warnen, das ist doch klar.“
Seine Schwester schüttelte den Kopf. „Du bist doch verrückt!“
„Bitte sei vorsichtig!“, schaltete sich Gero nun ein. Er schien als einziger Angst zu spüren. Mit flehenden Augen sah er Neal an, den wirklich nichts mehr aufhalten konnte. „Lass dich nicht erwischen, sonst bist du auch dran.“
Neal wandte sich der Tür zu. „Was macht ihr nur für einen Aufstand“, zischte er sauer. „Ich werde ihm Bescheid sagen, mehr nicht!“
Ohne sich noch einmal umzudrehen, lief er die Stufen hinab und verschwand.
Es dämmerte bereits, als Neal das kleine Häuschen des Schrebergartens öffnete. Er
Weitere Kostenlose Bücher