Von Liebe und Gift
Vielleicht war es der erste entspannte Moment des Tages für ihn?
„Ich habe dich so lieb“, sagte er, dabei sah er sie eindringlich an. Das Blau seiner Augen leuchtete nach wie vor, doch die Schatten drum herum schienen von Tag zu Tag größer zu werden. „Ich könnte niemals ohne dich sein.“ Es klang traurig und melancholisch zugleich. Francis erschauderte.
„Wirst du doch auch nicht“, sagte sie. „Mach dir nicht derartig schlimme Gedanken.“
Aber Neal konnte sein Gehirn nicht abschalten. Und dachte er nicht an das Baby und Francis, so musste er an seinen Freund denken.
„Meinst du Gero hat viele Bekannte? Ich meine … Männer?“
Francis zuckte mit den Schultern. Das konnte sie wirklich nicht beurteilen. Gero erzählte selten von Freunden, noch von der Uni. Es schien, als gäbe es nur Neal in seinem Leben.
„Ich glaube nicht, dass Gero viele Bekannte hat“, sagte Francis, sich deutlich wundernd, warum ihr Bruder so ein Thema anschlug. „Er hat doch kaum Freunde - und wenn, sind es auch unsere Freunde.“
„Aber gerade deswegen könnte er sich doch neue Freunde suchen, oder? Er könnte jemanden kennen lernen und …“ Neal senkte den Kopf. Er war ganz nervös geworden und konnte seine Hände nicht ruhig halten. „Ich könnte es nicht ertragen, wenn er mich verlässt … wenn er geht …“
Als Francis das hörte, griff sie ihrem Bruder sofort fest an die Schulter, als wollte sie ihn aus den finsteren Gedanken wachrütteln. „Wie kommst du auf so einen Quatsch?“, fragte sie regelrecht vorwurfsvoll. „Gero wird dich niemals verlassen. Er liebt dich abgöttisch.“
Doch auch das wollte Neal nicht wirklich beruhigen. Er schüttelte verstört den Kopf. „Aber ich werde älter. Ich bin sein erster Freund. Vielleicht will er ja mal einen jüngeren Mann haben, einen schöneren … so einen schönen, wie er selbst einer ist.“
Neal bedeckte sein Gesicht mit den Händen. All diese Gedanken schienen ihn verrückt zu machen.
Immer wieder musste er an seine Vergangenheit denken, in der er seine große Liebe Dirk verlor und unheimlich darunter gelitten hatte.
„Oh, Mann!“, stöhnte er. Seine Kräfte ließen sichtlich nach. „Ich kann nicht mehr. Ich weiß nicht weiter …“
„Sei ganz ruhig“, sprach Francis. Sie streichelte seinen Rücken. „Versuch mal abzuschalten. Denk einfach mal an nichts, an gar nichts.“
Da hob Neal seinen Kopf. Unglücklich verzog er sein Gesicht. „Kann ich nicht!“, schrie er hysterisch, dabei griff er sich an die Schläfen. „Ich denke, mein Schädel platzt.“
Wenige Sekunden atmete er angestrengt ein und aus, dann hatte er sich offensichtlich wieder gefangen.
„Was hältst du davon, wenn du jetzt ein Bad nimmst?“, schlug Francis vor. Ihr selbst half es immer, wenn sie sich in das warme, entspannende Nass eines Schaumbades begab. Dort konnte sie wirklich abschalten. „Ich mach dir was Leichtes zum Essen und dann sprechen wir in aller Ruhe noch mal über die Therapie, okay? Wenn du aus all diesem Mist rauskommen willst, musst du auch den Willen zeigen und dir helfen lassen. Du brauchst fachmännischen Beistand. Alleine schaffst du das nicht!“
Neal nickte zaghaft. Sie hatte ja Recht.
„Ah, das tut wirklich gut“, sagte Neal. Vorsichtig lehnte er sich zurück. Das schaumige Wasser umspülte seinen Körper, so dass er wohlig erschauderte.
Francis griff nach einem Schwamm. Damit fuhr sie über Neals Oberkörper und seine Beine. Ihr Bruder schloss dabei die Augen und brummte zufrieden.
Aber Francis wurde noch besorgter, als sie seine hagere Statur betrachtete.
„Mensch, du musst mehr essen“, sagte sie bedrückt. „Du bist bald nur noch Haut und Knochen.“
Sie griff nach dem Shampoo. Als würde sie sich um ihren Sohn kümmern, begann sie Neals Haar zu shampoonieren. Als er den Schaum danach ausspülte, wirkte er mit einem Mal ganz erschöpft und müde.
„Eigentlich möchte ich nur noch ins Bett“, sagte er.
Francis nickte, obwohl es ihr gar nicht gefiel, dass damit erneut das Essen ausfallen würde. Sie hielt ihm ein Handtuch hin, welches er sich um die mageren Hüften schlang. Er wankte ein wenig, als er sich ins Schlafzimmer begab und dort sofort unter die Bettdecke kroch. Er zitterte leicht und krümmte sich zusammen, wie ein Embryo.
Francis strich durch sein nasses Haar. Ihr entging nicht, wie kleine Schauer durch den Körper ihres Bruders jagten.
„Was ist mit dir?“, fragte sie sogleich.
Neal ließ die Augen
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