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Von Mäusen und Menschen

Von Mäusen und Menschen

Titel: Von Mäusen und Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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Unterhalt –, da käm ich mit un würde euch zur Hand gehn. Bin nich so verkrüppelt, daß ich nich wie der Teufel arbeiten könnte, wenn ich will.«
    »Hat einer von euch Burschen Curley gesehn?«
    Im Nu drehten sich alle Köpfe zur Tür hin. Wer herein-schaute, war Curleys Frau. Ihr Gesicht war stark geschminkt. Ihre Lippen waren halb geöffnet, und sie atmete schwer, als sei sie gerannt.
    »Curley war nich hier«, sagte Candy in säuerlichem Ton.
    Sie stand still im Tor und lächelte sie ein wenig an, indem sie die Nägel der einen Hand mit Daumen und Zeigefinger der andern rieb, und ihre Augen gingen von einem Gesicht zum anderen. »Alle Schwachen ha’m se hiergelas-sen«, sagte sie schließlich. »Meint ihr, ich wüßte nich, wo 83
    se alle hingegangen sind? Sogar Curley. Ich weiß, wohin sie alle gegangen sind.«
    Lennie beobachtete sie hingerissen; aber die andern wi-chen ihr mit finsteren Blicken aus. Candy sagte: »Na, wenn du’s weißt, warum fragste uns, wo Curley is?«
    Sie sah sie belustigt an. »Komisch«, sagte sie. »Wenn ich irgendeinen Mann allein erwische, geht’s prima mit ihm. Aber kaum sind zwei von euch Burschen zusammen, un keiner will reden. Das is rein verrückt.« Sie nahm die Finger auseinander und stützte die Hände gegen die Hüften. »Ihr habt alle Angst voreinander. Jeder von euch hat Angst, daß die übrigen was gegen ihn vorhaben.«
    Nach einer Pause sagte Candy: »Vielleicht gehste jetz besser wieder in euer eignes Haus zurück. Wir woll’n keine Unannehmlichkeit ha’m.«
    »Na, ich mach euch keine Unannehmlichkeiten. Meint ihr, ich möchte nich auch ab un zu mal mit wem reden?
    Meint ihr, ich will die ganze Zeit in dem Haus kleben?«
    Candy legte seinen Armstummel aufs Knie und rieb ihn leicht mit der Hand. Vorwurfsvoll sagte er: »Du hast ’n Mann. Hast keine Ursache, dich an andre Burschen ran-zumachen und Unheil zu stiften.«
    Die Frau brauste auf. »Jawoll hab ich ’n Mann. Habt ’n alle gesehn. Flotter Bursche, was? Braucht seine ganze Zeit, um zu erzählen, was er den Burschen antun will, die er nich leiden mag, un er mag kein’n leiden. Meint ihr, ich will in dem elenden Haus bleiben und anhören, wie Curley mit seiner abgezwickten linken Hand zweimal erst mit der Linken losgegangen ist und dann den guten alten Schwinger mit der Rechten gelandet hat? ›Eins, zwei‹, sagt er, ›ganz wie einst, eins, zwei, und runter mit ihm.‹« Sie unterbrach sich, und plötzlich wich der gelangweilte Ausdruck aus ihrem Gesicht und machte einem aufsteigenden Interesse Platz. »Sagt mal, was is mit Curleys Hand passiert?«

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    Ein verlegenes Schweigen trat ein. Candy warf einen verstohlenen Blick auf Lennie. »Tja … Curley … seine Hand is in ’ne Maschine gekommen, die hat se ihm zerquetscht.«
    Sie sah einen Augenblick scharf hin, dann lachte sie.
    »Lügenmärchen. Was bildet ihr euch ein, daß ihr mich an der Nase herumführen könnt? Curley hat was angefangen, was ihm zuviel war. Von ’ner Maschine zerquetscht – Ge-flunker. Na – hat mit keinem sein altes ›Eins, zwei‹ gemacht, seit seine Hand zerbrochen is. Wer hat se ihm zerbrochen?«
    Candy wiederholte mürrisch: »Is in ’ne Maschine geraten.«
    »Mein’twegen«, sagte sie verächtlich. »Mein’twegen, deckt ihn, wenn ihr wollt. Was mach ich mir draus? Ihr Bündel Tollpatsche denkt Wunder was ihr seid. Was denkt ihr denn, was ich bin? Ein Baby? Ich kann euch sagen, ich könnte beim Theater sein. Bei mehr als einem. Und einer hat mir gesagt, er könnte mich zum Film bringen.« Der Atem ging ihr aus vor Zorn. »Samstagabend. Jeder hat was vor. Jeder! Und was tu ich? Steh hier un red zu einem Haufen Tölpel – ’n Nigger un ’n Einfaltspinsel und ’n lausiges altes Schaf – un bin noch froh drum, weil ich sonst niemand hab.«
    Lennie gaffte nach ihr, den Mund halb offen. Crooks hatte sich in die zugleich abschreckende und schützende Würde des Negers zurückgezogen. Aber mit dem alten Candy ging eine Veränderung vor sich. Er stand jäh auf, daß die kleine Tonne umkugelte. »Ich hab’s satt«, sagte er erbost. »Du bist hier unerwünscht. Wir haben dir’s gesagt.
    Und ich will dir sagen, du hast Flausen im Kopf, was uns Burschen angeht. Du hast in deinem Hühnerhirn nicht Verstand genug, um zu begreifen, daß wir keine Tölpel sind. Wenn wir nun wegen dir rausgeschmissen würden.

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    Gesetzt, du würdest uns rausschmeißen lassen. Dann denkste wohl, wir ziehn auf der Landstraße dahin und suchen

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