Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost
noch einen Moment warten sollte. Das tat ich. Als er auflegte, seufzte er theatralisch. » Was kann ich für Sie tun?«
» Hi«, sagte ich. » Mein Name ist Bernie Worley.«
» Und ich«, sagte er und legte dabei die Hand aufs Herz, » bin Albin Laramie.«
Er machte diese Aussage voller Stolz und Erhabenheit. Es erinnerte mich an Mandy Patinkin in Die Braut des Prinzen. Ich wartete schon fast darauf, dass er mir vorwarf, ich hätte seinen Vater getötet, und dass ich mich auf den Tod vorbereiten sollte.
Ich lächelte ihn kummervoll an. » Meine Frau hat mich gebeten, ein paar Fotos abzuholen.«
» Haben Sie den Abholzettel?«
» Den hab ich verloren.«
Albin runzelte die Stirn.
» Ich weiß aber die Nummer, falls das irgendwie weiterhilft.«
» Mal sehen.« Er zog sich eine Tastatur heran und legte die Finger darauf, dann sah er mich wieder an. » Und?«
» Vier, sieben, eins, zwei.«
Er sah mich an, als wäre ich das dümmste Wesen auf Gottes grüner Erde. » Das ist keine Auftragsnummer.«
» Ach. Sind Sie sicher?«
» Das ist eine Session-Nummer.«
» Eine Session-Nummer?«
Er schob mit beiden Händen den Umhang zurück, wie ein Vogel es vielleicht tat, bevor er die Flügel ausbreitete, um loszufliegen.«
» Session, wie Foto-Session.«
Das Telefon klingelte, und er wandte sich ab, als wäre ich damit entlassen. Wenn ich nicht aufpasste, verschwand die Verbindung. Ich trat einen Schritt zurück und spielte ein bisschen Theater. Ich blinzelte und bildete mit dem Mund ein perfektes O. Myron Bolitar, die vor Ehrfurcht erstarrte Unschuld. Jetzt sah er mich neugierig an. Mit diesem ehrfürchtigen Gesichtsausdruck ging ich eine Runde durch den Laden.
» Irgendwelche Probleme?«, fragte er.
» Ihre Arbeit«, sagte ich. » Die Bilder sind einfach atemberaubend.«
Er putzte sich wie ein Vogel. Im wahren Leben sieht man es nicht sehr oft, dass sich ein erwachsener Mann die Haare richtet. Die nächsten gut zehn Minuten schmierte ich ihm weiter Honig um den Bart, indem ich seine Fotos über den grünen Klee lobte, mich nach seinen Inspirationen erkundigte und mir sein Geschwafel über Farbtemperaturen, Tönung, Stil und diverse andere Dinge anhörte.
» Marge und ich haben ein Baby«, sagte ich und betrachtete eine der schrecklichen viktorianischen Monstrositäten, auf denen ein an sich niedliches Baby aussah wie mein Onkel Monty mit Gürtelrose, mit einem bewundernden Kopfschütteln. » Wir müssen unbedingt einen Termin machen, dass wir mit ihr herkommen können.«
Wieder richtete er seinen Umhang. Sich so das Gefieder zu putzen, dachte ich, war genau richtig für Männer mit Umhängen. Wir sprachen über den Preis, der absolut hanebüchen war und für den wir eine zweite Hypothek hätten aufnehmen müssen. Trotzdem spielte ich weiter mit. Schließlich sagte ich: » Hören Sie, das ist die Nummer, die meine Frau mir gegeben hat. Die Session-Nummer. Sie meinte, es haut mich bestimmt um, wenn ich die Fotos sehe. Meinen Sie nicht, dass ich mir die Bilder aus der Foto-Session Nummer vier, sieben, eins, zwei mal eben ansehen könnte?«
Wenn es ihm seltsam vorkam, dass ich ursprünglich gekommen war, um Fotos abzuholen, und mir jetzt Fotos von einer Session ansehen wollte, konnte dieser Zweifel die überschwänglichen Genie-Schmeicheleien, die ich von mir gegeben hatte, offenbar nicht übertönen.
» Ja, selbstverständlich. Ich hab sie hier im Computer. Ich muss sagen, dass ich Digitalfotografie einfach nicht mag. Für Ihre kleine Tochter würde ich lieber eine klassische Boxkamera verwenden. Das gibt den Bildern eine ganz spezielle Textur.«
» Das wäre natürlich super.«
» Trotzdem archiviere ich die Daten digital auf einem Server.« Er tippte etwas ein und drückte Enter. » Na ja, aber Babyfotos sind das auf jeden Fall nicht. Da sind sie.«
Albin drehte den Monitor um, so dass ich ihn sehen konnte. Ein paar Thumbnails wurden hochgeladen. Schon bevor er einen anklickte, spürte ich, dass sich meine Brust zusammenzog. Dann füllte das Foto den ganzen Bildschirm aus. Es bestand nicht der Hauch eines Zweifels.
Es war das blonde Mädchen.
Ich versuchte, es cool anzugehen. » Davon hätte ich gern eine Kopie.«
» In welcher Größe?«
» Egal, zwanzig Mal fünfundzwanzig wäre gut.«
» Nächste Woche Dienstag ist sie fertig.«
» Ich brauche sie sofort.«
» Unmöglich.«
» Ihr Computer ist doch mit dem Farbdrucker da drüben verbunden«, sagte ich.
» Schon, aber da kriegt man nicht
Weitere Kostenlose Bücher