Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost
unglaublich unhygienisch.«
Berleand sagte: » Hat Ms. Collins recht?«
Ich sah ihn wieder an. » In welcher Beziehung?«
» Sind Sie gut darin, Leute zu suchen?«
Ich zuckte die Achseln. » Ich glaube, ich weiß, wo Rick Collins ist.«
Berleand sah Lefebvre an. Der richtete sich etwas weiter auf.
» Ach, und wo soll das sein?«
» In einem Leichenschauhaus in der Umgebung«, sagte ich. » Jemand hat ihn ermordet.«
7
Berleand führte mich aus dem Büro der Groupe Berleand heraus und ging dann nach rechts.
» Wo gehen wir hin?«, fragte ich.
Er wischte sich die Hände an den Hosenbeinen ab und sagte: » Folgen Sie mir einfach.«
Wir kamen auf eine Galerie im fünften Stock eines Innenhofs. Über dem Geländer war ein Stahlnetz gespannt.
» Wozu das Netz?«, fragte ich.
» Vor zwei Jahren haben wir eine Terrorverdächtige hergebracht. Als wir mit ihr diese Galerie entlanggingen, hat sie sich einen Wärter geschnappt und wollte sich mit ihm zusammen übers Geländer stürzen.«
Ich sah hinab. Es war sehr tief.
» Waren sie tot?«
» Nein, ein anderer Beamter konnte sie an den Knöcheln festhalten. Aber seitdem haben wir das Netz.«
Er ging zwei Stufen hinauf zu einer Tür, die offenbar ins Dachgeschoss führte. » Passen Sie mit dem Kopf auf«, sagte er zu mir.
» Terrorverdächtige?«
» Ja.«
» Sie sind hier für Terrorismus zuständig?«
» Terrorismus, Mord, da kann man oft gar keine klaren Grenzen mehr ziehen. Wir machen hier von allem ein bisschen.«
Er trat ins Dachgeschoss. Ich musste mich ziemlich tief ducken und folgte ihm so. Neben uns hing Kleidung an einer Wäscheleine. » Waschen Sie hier oben Ihre Sachen?«
» Nein.«
» Wem gehört dann diese Kleidung?«
» Opfern. Die hängen wir hier oben auf.«
» Das soll doch jetzt ein Witz sein, oder?«
» Nein.«
Ich blieb stehen und sah mir die Kleidungsstücke an. Rechts von mir hing ein zerrissenes und blutverschmiertes, dunkelblaues Hemd. » Ist das von Rick Collins?«
» Folgen Sie mir.«
Er öffnete ein Fenster und trat aufs Dach hinaus. Dann drehte er sich um und wartete darauf, dass ich hinter ihm her kam.
Wieder sagte ich: » Das soll doch jetzt ein Witz sein, oder?«
» Einer der schönsten Ausblicke über Paris.«
» Vom Dach des Quai des Orfèvres?«
Ich trat hinaus auf den Schiefer– und wow, was den Ausblick anging, hatte er recht. Berleand steckte sich eine Zigarette an, nahm einen so tiefen Zug, dass ich befürchtete, die ganze Zigarette würde sich auf einmal in Asche verwandeln, und stieß dann den Rauch in einem langen Strom durch die Nase wieder aus.
» Führen Sie hier oben viele Befragungen durch?«
» Wenn ich ehrlich bin, ist das die erste«, sagte er.
» Sie könnten den Leuten androhen, sie hier runterzustoßen.«
Berleand zuckte die Achseln. » Ist nicht mein Stil.«
» Und warum sind wir dann hier?«
» Drinnen ist Rauchverbot, und ich brauchte dringend eine Zigarette.«
Er nahm noch einen langen Zug.
» Zu Anfang fand ich das eigentlich ganz in Ordnung, dass man nur draußen rauchen durfte. Das war so eine Art Fitness-Programm, die fünf Treppen rauf und wieder runter zu joggen. Aber hinterher war man völlig außer Atem von den vielen Zigaretten.«
» Das hat sich gegenseitig aufgehoben«, sagte ich.
» Genau.«
» Vielleicht hätten Sie mal drüber nachdenken sollen, damit aufzuhören.«
» Ja, aber dann hätte ich keinen Grund mehr gehabt, die Treppen rauf und runter zu laufen, und ich hätte mich gar nicht mehr bewegt. Können Sie mir folgen?«
» Bis zu einem gewissen Grade, Berleand.«
Er setzte sich und blickte in die Ferne. Mit einer kurzen Geste forderte er mich auf, es ihm gleichzutun. Da saß ich also, auf dem Dach eines der berühmtesten Polizeireviere der Welt, und blickte auf eine der atemberaubendsten Ansichten Notre Dames.
» Das da drüben müssen Sie sich auch mal angucken.«
Er deutete über seine rechte Schulter. Ich sah über die Seine, und da war er– der Eiffelturm. Ich weiß, dass es unglaublich touristisch ist, vom Anblick des Eiffelturms ergriffen zu sein, trotzdem konnte ich den Blick eine ganze Weile lang nicht abwenden.
» Faszinierend, was?«, fragte er.
» Wenn ich das nächste Mal hier festgenommen werde, muss ich unbedingt einen Fotoapparat mitnehmen.«
Er lachte.
» Sie sprechen wirklich gut Englisch«, sagte ich.
» Wir lernen das schon in der Schule. Außerdem habe ich als junger Mann ein Semester auf dem Amherst College studiert, und
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