Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost
London in England?«
» Ja.«
Ich hörte eine Stimme. Klang nach Jack. Ali sagte: » Einen Moment, Schatz. Ich telefoniere.« Mir fiel auf, dass sie nicht gesagt hatte, mit wem sie telefonierte. Normalerweise tat sie das.
» Mir war gar nicht klar, dass du im Ausland bist«, sagte Ali.
» Ich habe einen Anruf gekriegt. Eine Freundin war in Schwierigkeiten. Sie hat…«
» Freundin?«
Ich brach ab. » Ja.«
» Wow, das ging aber schnell.«
Ich wollte sagen: Es ist nicht so, wie du denkst, verkniff es mir aber. » Ich kenne Sie schon seit zehn Jahren.«
» Verstehe. Dann ist das nur ein Überraschungsbesuch in London, um dich da mit einer alten Freundin zu treffen?«
Schweigen. Dann hörte ich wieder Jacks Stimme, die fragte, wer am Telefon war. Die Frage drang irgendwo aus der Wüste quer über den größten Teil der Vereinigten Staaten und über den Atlantischen Ozean an mein Ohr und ließ mich zusammenzucken.
» Ich muss los, Myron. Wolltest du noch irgendwas?«
Gute Frage. Wahrscheinlich schon, aber dies war nicht der richtige Zeitpunkt. » Ich glaub nicht«, sagte ich.
Ohne noch ein Wort zu sagen, legte sie auf. Ich sah das Handy an, spürte das Gewicht in der Hand, dann dachte ich, einen Moment mal– Ali hatte es beendet, oder etwa nicht? Hatte sie das nicht vor– wann war das?– zwei Tagen ganz deutlich gesagt? Und was hatte ich mit diesem verdammten Anruf eigentlich erreichen wollen?
Warum hatte ich sie angerufen?
Weil ich es nicht ausstehen konnte, wenn Dinge in der Luft hingen? Weil ich hier das Richtige tun wollte– was immer das auch bedeutete.
Die Schmerzen vom Kampf machten sich wieder bemerkbar. Ich stand auf, streckte mich, versuchte, die Muskeln zu lockern. Ich sah Tereses Tür an. Sie war geschlossen. Ich schlich hinüber, öffnete sie einen Spaltbreit und spähte in ihr Zimmer. Das Licht war aus. Ich horchte auf ihren Atem. Nichts. Ich zog die Tür langsam wieder zu.
» Bitte geh nicht«, sagte Terese.
Ich blieb stehen und sagte: » Versuch zu schlafen.«
» Bitte.«
In Herzensangelegenheiten bin ich immer sehr behutsam vorgegangen. Ich habe immer das Richtige getan. Ich habe nie einfach gehandelt. Mit Ausnahme dieses einen Mals vor zehn Jahren auf der Insel hatte ich mir immer erst lange Gedanken über Gefühle, mögliche Auswirkungen und das Danach gemacht.
» Geh nicht«, sagte sie noch einmal.
Und ich ging nicht.
Als wir uns küssten, erschauderte ich am ganzen Körper, dann ließ ich los und verspürte eine ungeheure Erleichterung, eine Erleichterung, wie ich sie noch nie erlebt hatte, als ob ich einfach nur ganz still dastünde und mich gehen ließ, während mein Herz wie wild schlug, der Puls raste, ich weiche Knie bekam, sich meine Zehen krümmten, meine Ohren knackten und sich jeder Körperteil entspannte und sich schließlich glücklich und zufrieden geschlagen gab.
Wir lächelten in dieser Nacht. Wir weinten. Ich küsste ihre wunderschöne nackte Schulter. Und am Morgen war sie wieder verschwunden.
*
Aber nur aus dem Bett.
Terese saß mit einer Tasse Kaffee im Wohnzimmer. Der Vorhang war offen. Um auf einen alten Song anzuspielen, die Morgensonne, die ihr ins Gesicht schien, zeigte ihr Alter– und mir gefiel es. Sie trug den Frottee-Bademantel des Hotels. Der stand ein wenig offen und bot so eine Verheißung der Dinge, die darunter verborgen lagen. Ich glaube nicht, dass ich je zuvor etwas so Schönes gesehen hatte.
Terese sah mich an und lächelte.
» Hi«, sagte ich.
» Jetzt fang nicht schon wieder an, mich mit deinen betörenden Worten zu verführen. Du hast mich doch schon ins Bett gekriegt.«
» Mist, jetzt hab ich die ganze Nach wach gelegen, um über diesen Aufreißerspruch nachzudenken.«
» Na ja, wach gelegen hast du sowieso die ganze Nacht. Kaffee?«
» Bitte.«
Sie schenkte mir eine Tasse ein. Ich setzte mich ach so behutsam neben sie. Die Schlägerei zeigte jetzt Wirkung. Ich zuckte bei jeder unvorsichtigen Bewegung zusammen und überlegte, ob ich ein paar von den Schmerztabletten nehmen sollte, die der Arzt für mich dagelassen hatte. Aber noch nicht. Jetzt wollte ich erst einmal neben dieser sensationellen Frau sitzen und schweigend mit ihr Kaffee trinken.
» Wie im Himmel«, sagte sie.
» Ja.«
» Ich wünschte, wir könnten für immer hierbleiben.«
» Ich glaube nicht, dass ich mir dieses Zimmer leisten könnte.«
Sie lächelte. Sie streckte die Hand aus und ergriff meine. » Soll ich dir etwas Schreckliches sagen?«
»
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