Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost
sie an. Ihre Miene verriet nichts.
» Hallo?«, sagte Jones.
Das Handy war so laut eingestellt, dass ich die Stimme am anderen Ende deutlich verstehen konnte. Sie sagte: » Verchromt, ohne jeden Schnickschnack mit einem Gucci-Logo ganz unten links.«
Es war Win.
Jones sagte: » Hä?«
» Ich sehe Ihre Gürtelschnalle durch das Zielfernrohr meines Gewehrs, ziele allerdings knapp zehn Zentimeter tiefer«, sagte Win. » In Ihrem Fall wären fünf Zentimeter allerdings angemessener.«
Mein Blick fiel auf den Gürtel des Typen. Alles klar. Unten in der Gürtelschnalle war ein Gucci-Logo eingraviert.
Win sagte: » Gucci vom Beamtengehalt? Muss ein Sonderangebot gewesen sein.«
Jones nahm das Handy nicht vom Ohr, fing aber an, sich umzusehen. » Ich darf wohl annehmen, dass ich es mit Mr. Windsor Horne Lockwood zu tun habe?«
» Ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass ich keine Ahnung habe, wovon Sie reden.«
» Was wollen Sie?«
» Ganz einfach. Mr. Bolitar geht nicht mit Ihnen.«
» Sie bedrohen einen Bundespolizisten? Das ist ein Kapitalverbrechen.«
» Ich bewerte nur Ihren Modegeschmack«, sagte Win. » Und da Sie einen schwarzen Gürtel zu braunen Schuhen tragen,sind Sie hier der Einzige, der ein Kapitalverbrechen begeht.«
Jones sah mir in die Augen. In seinem Blick lag eine seltsame Ruhe, vor allem wenn man bedachte, dass ein Gewehr auf seinen Schritt gerichtet war. Ich sah Esperanza an. Sie erwiderte meinen Blick nicht. Mir wurde etwas ziemlich Offensichtliches klar: Win war nicht in Bangkok. Er hatte mich belogen.
» Ich möchte hier keine Szene machen«, sagte Jones. Er hob beide Hände. » Also gut, hier wird niemand zu irgendetwas gezwungen. Einen angenehmen Tag noch.«
Er gab Esperanza das Handy, drehte sich um und ging zum Wagen.
» Jones?«, rief ich ihm nach.
Er drehte sich wieder zu mir um und schirmte die Augen mit der Hand vor der Sonne ab.
» Wissen Sie, was mit Terese Collins passiert ist?«
» Ja.«
» Sagen Sie es mir.«
» Da müssten Sie schon mitkommen«, erwiderte er.
Ich sah Esperanza an. Wieder reichte sie Jones das Handy.
Win sagte: » Nur, damit das klar ist. Sie werden sich nicht verstecken können. Ihre Familie wird sich nicht verstecken können. Wenn ihm etwas zustößt, reden wir über die totale Vernichtung. Von allem, das Sie lieben und was Ihnen wichtig ist. Und nein, es handelt sich nicht um eine Drohung.«
Dann wurde die Leitung unterbrochen.
Jones sah mich an. » Netter Bursche.«
» Wenn Sie wüssten.«
» Können wir gehen?«
Ich folgte ihm zum Cadillac und stieg ein.
30
Wir fuhren über die George Washington Bridge und nach Manhattan. Jones stellte mir die beiden anderen Agenten vor, ich versuchte nicht, mir ihre Namen zu merken. An der West 79th Street bogen wir von der Schnellstraße ab. Kurz darauf hielt der Cadillac am Central Park West. Jones öffnete die Tür, schnappte sich seinen Aktenkoffer und sagte: » Lassen Sie uns einfach ein bisschen spazieren gehen.«
Ich stieg aus. Die Sonne brannte immer noch.
» Was ist mit Terese passiert?«, fragte ich.
» Zuerst müssen Sie die anderen Dinge erfahren.«
Musste ich nicht, aber es brachte nichts, wenn ich ihn zu sehr drängte. Er würde es mir erzählen, wenn er es für richtig hielt. Jones zog sein braunes Jackett aus und legte es auf den Rücksitz. Ich wartete darauf, dass die anderen beiden Agenten den Wagen parkten und ausstiegen, aber Jones klopfte einmal aufs Dach, und der Wagen fuhr los.
» Nur wir beide?«, fragte ich.
» Nur wir beide.«
Sein Aktenkoffer stammte aus einem anderen Zeitalter. Er war perfekt rechteckig mit Zahlenschlössern an beiden Verschlüssen. Mein Dad hatte früher so einen besessen und darin Tag für Tag seine Verträge, Rechnungen, Stifte und ein winziges Kassetten-Diktiergerät nach Newark in die Fabrik und wieder nach Hause getragen.
Gegenüber der West 76th Street bog Jones in den Park ein. Wir kamen an der Tavern on the Green vorbei, wo die Lichter an den Bäumen matt glühten. Ich schloss zu ihm auf und sagte: » Ich komme mir gerade ein bisschen vor wie in einem Mantel-und-Degen-Film.«
» Es ist eine Vorsichtsmaßnahme. Wahrscheinlich überflüssig, aber wenn man es häufig mit solchen Dingen wie ich zu tun hat, will man auch gelegentlich sehen, wofür man das Ganze tut.«
Ich fand es etwas melodramatisch, aber auch hier wollte ich ihn nicht drängen. Jones war plötzlich ernst und nachdenklich, und ich hatte keine Ahnung warum. Er beobachtete die
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