Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost
das Blut seiner Tochter Miriam einlagern lassen. Aber was dann? Er kommt hierher, lässt es – was? – auftauen, nimmt es mit nach Paris, wo es dann bei seiner Ermordung auf dem Boden verschüttet wird?«
» Nein«, sagte sie.
» Was dann?«
» Offenbar haben wir irgendwas übersehen. Uns fehlen ein oder zwei Schritte. Vielleicht hat er sich die gefrorene Probe nach Paris schicken lassen. Vielleicht hat er da mit ein paar Ärzten zusammengearbeitet, die an einem Forschungsprojekt arbeiten, womöglich irgendetwas mit Menschenversuchen, was unsere Regierung nicht gestatten würde. Ich weiß nicht, aber die Frage ist doch– klingt dieses Szenario plausibler als eines, in dem das Mädchen den Autounfall überlebt hat und zehn Jahre lang von der Bildfläche verschwunden war?«
» Hast du sein Gesicht gesehen, als wir › Save the Angels‹ erwähnt haben?«
» Das finde ich nicht weiter verwunderlich. Immerhin ist das eine Gruppe, die gegen Abtreibungen und die Forschung mit embryonalen Stammzellen protestiert. Ist dir aufgefallen, wie er in seinem mehr oder weniger auswendig gelernten Sermon betont hat, dass Nabelschnurblut nichts mit der Kontroverse um Stammzellen zu tun hat?«
Ich ließ mir das durch den Kopf gehen. » Egal, wir müssen uns › Save the Angels‹ angucken.«
» Da geht niemand ans Telefon«, sagte sie.
» Hast du eine Adresse?«
» Sie sind in New Jersey«, sagte sie. » Aber.«
» Aber was?«
» Wir bewegen uns im Kreis. Wir haben nichts rausgekriegt. Und jetzt kommt der Reality Check: Unsere Klienten haben etwas Besseres verdient. Mit ihrer Unterschrift bei uns haben wir ihnen versprochen, dass wir hart für sie arbeiten. Und das tun wir im Moment nicht.«
Ich stand einfach nur da.
» Du bist der beste Agent aller Zeiten«, sagte sie. » Ich bin gut in dem, was ich mache. Ich bin sogar sehr gut. Was Verhandlungen betrifft, bin ich besser, als du je sein wirst, und ich habe auch mehr Fantasie bei der Suche nach Verdienstmöglichkeiten für unsere Klienten. Die meisten Klienten kommen jedoch zu uns, weil sie dir vertrauen. Denn eigentlich suchen die einen Agenten, der sich um sie kümmert– und darin bist du unschlagbar.«
Sie zuckte die Achseln und wartete.
» Ich versteh schon, was du meinst«, sagte ich. » Meistens stürze ich uns in so ein Chaos, weil ich einem Klienten helfen will. Aber dieses Mal geht es um etwas Größeres. Etwas viel Größeres. Ihr wollt, dass ich mich weiter auf unsere persönlichen Dinge konzentriere. Das versteh ich. Aber diese Sache muss ich mir ansehen.«
» Du hast einen Heldenkomplex«, sagte sie.
» Ach. Das ist ja mal ganz was Neues.«
» Der dazu führt, dass du manchmal im Blindflug durch die Welt rauschst. Dabei kannst du erheblich mehr Gutes tun, wenn du weißt, wo du hinwillst.«
» Im Moment«, sagte ich, » will ich nach New Jersey. Und du fährst zurück ins Büro.«
» Ich kann mitkommen.«
» Ich brauch keinen Babysitter.«
» Tja, Pech für dich, dass du trotzdem einen hast. Also, wir fahren zu › Save the Angels‹. Wenn das eine Sackgasse ist, fahren wir zurück ins Büro und arbeiten die Nacht durch. Abgemacht?«
» Abgemacht«, sagte ich.
29
Eine echte Sackgasse. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Wir waren den Anweisungen des Navigationssystems zu einem Bürohaus in Ho-Ho-Kus, New Jersey, ans Ende einer Sackgasse gefolgt. Hier befanden sich eine Autowerkstatt, ein Karatestudio namens › Shako ken‹ und das miserabel gestaltete Schaufenster eines Fotostudios, das sich › Offizielle Photographien von Albin Laramie‹ nannte. Im Vorbeigehen deutete ich auf den Schriftzug am Glasfenster.
» Offiziell«, sagte ich. » Weil, ganz ehrlich, ein inoffizielles Foto von Albin Laramie möchte man nun wirklich nicht haben.«
Es gab Hochzeitsfotos, die mit so viel Weichzeichner aufgenommen waren, dass man kaum sagen konnte, wo der Bräutigam anfing und die Braut aufhörte. Fotos von Models in provokativen Posen, meistens in Bikinis. Es gab furchtbar aufdringliche, der viktorianischen Zeit nachempfundene Babyfotos in braunen Sepiatönen. Die Babys waren in lange Gewänder gekleidet und sahen absolut gruselig aus. Immer wenn ich ein echtes viktorianisches Babyfoto sehe, denke ich: » Dieses Kind auf dem Foto liegt schon lange tot unter der Erde.« Vielleicht bin ich etwas morbider als die meisten anderen Menschen, aber wer mag so übertrieben gestellte Fotos?
Wir betraten das Erdgeschoss und sahen uns den Etagenplan an. › Save the
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