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Von Moerdern und anderen Menschen

Titel: Von Moerdern und anderen Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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einen Augenblick, Herr Piesarczik; ich geh nur schnell zum Auto und dann…»
    «Ja, ja, klar», murmelte Piesarczik.
    «Machen Sie die Tür ruhig zu, die Kälte; ich hab ja ‘n Schlüssel…»
    «Ja, mach ich.»
    Piesarczik wartete einen Augenblick, dann ging er zum Telefon und wählte eine sechsstellige Nummer.
    Es meldete sich eine verschlafene Stimme. «Piesarczik.»
    «Hallo, Mutter, ich bin’s.»
    «Michael, du? Ich denke, du kommst heute abend zur Party.»
    «Komm ich auch; ich wollt dir bloß schnell sagen, daß ich kein Glück hatte.»
    «Kein Glück – wobei?» fragte sie erstaunt.
    Er sprach so schnell er konnte. «Wobei schon – bei der Suche nach einem, der mir ‘n Teil der Arbeit abnehmen kann.»
    «Ja, sicher, aber wie kommst du denn ausgerechnet jetzt darauf, Sonnabendnachmittag…?»
    «Weil so ‘ne Gelegenheit wie heute so schnell nicht wiederkommt», sagte er.
    «Was für ‘ne Gelegenheit?» Sie verstand noch immer nicht, was er meinte.
    «Isy ist tot, Fräulein Seywald, ein Unfall», erklärte er ihr, «und ich bin jetzt hier bei Moderegger zu Hause und hab dem eingeredet, ich hätte sie ermordet. Verschafft er mir ein Alibi, dann ist er unser Mann; läßt er mich abblitzen, dann können wir ihn ein für allemal abschreiben.»
    «Junge!» rief sie. «Bist du denn verrückt geworden!?» Sie rang nach Luft.
    «Wieso verrückt geworden? Das ist doch ‘n Klasse Test, ‘ne echte Feuerprobe, so was kommt doch nie mehr wieder», sagte er mit ungebrochener Begeisterung.
    «Das geht doch nicht!»
    Er ließ sich nicht beirren. «Klar geht es. Wenn ich Moderegger zu den verbotenen Absprachen schicke, dann muß ich doch genau wissen, daß er a) nicht in die eigene Tasche wirtschaftet und daß er uns b) nicht irgendwann mal erpreßt. Ein Wort zum Bürgermeister, ein Wort zum Kartellamt…»
    «Schön und gut, aber wenn der Moderegger nun zur Polizei rennt und… Das gibt doch einen fürchterlichen Skandal!»
    «Ach wo! Dann sag ich bloß: April, April, der Mann spinnt ja. Und wem wird Gonschorek wohl mehr glauben: Moderegger oder mir?»
    Das schien sie zu beruhigen. «Hat denn Moderegger schon ja gesagt? Will er dich decken?»
    «Nein, das ist es ja eben. Er ziert sich noch… Er ist gerade mal…»
    «Dann laß es», riet sie ihm; «wenn er nicht spontan ja gesagt hat, hat’s jetzt auch keinen Zweck mehr. Sag ihm, daß du’s nicht getan hast und entschuldige dich bei ihm.»
    «Ja, okay! Du, ich muß Schluß machen – mein Durchfall… Bis nachher!»
    Er legte auf.
     
     
    Sicher, das war jetzt höchst nebensächlich, aber wiederum doch nicht. Seywald hatte am Morgen ein Gruppenreferat seiner Schüler zum Thema ‹Unsere Verwaltung heute› gehört, und er erinnerte sich noch genau an einige Passagen, die sie irgendeiner Werbebroschüre entnommen hatten: Der moderne Beamte ist mit hoher Sensibilität bemüht, den Bedürfnissen der Bürger Rechnung zu tragen. Er behandelt sie nicht mehr als Bittsteller, sondern als Kunden oder Klienten. Er hilft ihnen, das zu bekommen, was ihnen von gesetzeswegen zusteht.
    Die Beamten, die er hier im Polizeipräsidium angesprochen hatte, mochten das zwar alle zur Kenntnis genommen haben, doch diese frohe Botschaft hob weder Hierarchie noch Kompetenzen und die ganze festgefügte Arbeitsteilung auf, was nicht einmal sehr sinnvoll gewesen wäre, und so wurde Seywald zwangsläufig – es war zudem Sonnabend – von Pontius zu Pilatus geschickt, zwar höflich, aber nichtsdestoweniger bestimmt, das heißt, eigentlich unbestimmt.
    Wieder stand er vor einer der glatt-roten Türen und klopfte.
    «Ja – herein!» tönte es von drinnen.
    Seywald öffnete die Tür und trat ins Zimmer. «Sagen Sie bloß, Sie fühlen sich auch nicht zuständig?»
    «Nun mal langsam, junger Freund!» Der diensthabende Beamte, kompakt, mit kahlem Schädel, richtete sich auf und sah ihn über den Schreibtisch hinweg zurechtweisend an.
    Seywald hielt seinem Blick stand. «Sie sind doch Gonschorek – oder?»
    «Ja», sagte Gonschorek. «Aber wir sind hier nicht auf der Uni.»
    «Schön: Herr Gonschorek.» Seywald lenkte ein. Bei aller Sympathie für seine Brokdorf-Freunde und ihrer Bullen-Allergie – Gonschorek war quasi ein Kollege von ihm, sie waren beide Beamte. Und jeder Wandel mußte mißglücken, wenn’s nicht irgendwo was Festes gab.
    Gonschorek blickte etwas freundlicher. «Ja – und? Worum dreht sich’s denn?»
    «Draußen haben sie mir gesagt, ich soll mich beim Kommissar vom Dienst

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