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Von Namibia bis Südafrika

Titel: Von Namibia bis Südafrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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aufzumöbeln.„ Ob wir das auch mal schaffen?“
    „Nur wenn ich nicht länger mit dir in einem Auto sitze“, antwortete Rolf. „Du fährst vielleicht einen Stiefel zusammen.“
    Ich drehte am Lenkrad, umkurvte das nächste Loch. Mitgefühl ist schließlich eine Tugend.
    Sein halbes Leben lang war Eberhard von Koenen als Arzt in Windhuk tätig gewesen. Und sein halbes Leben lang kamen Mütter mit ihren Kindern zu ihm, die weder ein noch aus wussten.
    „Ihre Kinder wurden nicht mehr gesund“, erzählte er mir. „Schuld daran war Antibiotika.“
    Wir waren soeben auf Eberhards Farm Omburo angekommen, ein paar Stunden westlich von Omaruru gelegen, da machte er schon Tabula rasa. Der Verfasser des wichtigsten Standardwerks über Heil- und Giftpflanzen des südwestlichen Afrikas war kein Freund der langen Vorrede. Ich hatte sein Buch zuhause studiert. Über 25 Jahre hatte Eberhard daran gearbeitet. Er erforschte mehr als 600 Heilpflanzen und reiste zu den traditionellen Heilern, Medizinmännern, Zauberdoktoren und Kräuterkundigen aller ethnischen Gruppen des Landes, um von ihnen zu lernen. Seine Erfahrungen schrieb er auf, und die wichtigsten Pflanzen zeichnete er mit Tusche nach. Noch am selben Nachmittag konnte ich miterleben, wie Eberhard in einer stundenlangen Sitzung akribisch die Verästelungen eines Boscia albitrunca auf Papier festhielt.
    „Aus den Früchten dieses Baumes kannst du Bier brauen“, sagte er. „Die Wurzel gibt einen guten Kaffee- Ersatz. Und mit dem Extrakt lassen sich Lebensmittel konservieren.“
    „Neunzig, stimmt's?“ flüsterte Rolf mir ins Ohr.
    Ich nickte. Und Eberhard fügte hinzu: „Für mich braucht ihr kein Wasser mitzunehmen. Ich trinke nie etwas, wenn ich in die Wüste gehe.“
    Das Herero-Dorf lag auf einem sonnendurchglühten Plateau in der Nähe des Brandbergs. Vor 120 Millionen Jahren war hier ein Vulkan gewesen, und ich hatte das Gefühl, dass direkt unter meinen Füßen noch immer die Lava kochte. Auch die Khoi San lebten lange Zeit in dieser Gegend, wovon über 48 000 Felsmalereien Zeugnis ablegen. Eine der bekanntesten ist die „Weiße Dame“, deren Alter mit Hilfe der chromatografischen Bindemittelanalyse erst kürzlich auf 1 500 Jahre datiert wurde.
    Wir fuhren ins Dorf, und was ich sah, gefiel mir nicht. Es war eine Ansammlung von Hütten aus Stroh, Holz und Wellblech. Ein paar verrostete Autos hier und dort, ein Laden mit dem Schild „Bottle Store“ über einem türlosen Eingang, davor ein Haufen Abfall mit jeder Menge leerer Flaschen. Doch die Bewohner stellten sich als nette Leute heraus, die sich freuten, dass wir Abwechslung in ihren tristen Alltag brachten. Vom großen Meister, dem traditionellen Heiler Dr. Matheus Mutindi Kuvare, war nichts zu sehen.
    „Das ist normal“, sagte Eberhard. „Das Versteckspiel gehört mit zum Ritual.“
    Wir saßen in der prallen Sonne, denn es gab keinen Baum und keinen Strauch, der Schatten spenden könnte, und hielten Maulaffen feil. In meinem Kopf brodelte eine Masse von der Konsistenz eines Hefeteigs, und so war es kein Wunder, dass ich an meinem Verstand zweifelte, als wie eine Fata Morgana eine schöne Frau auf mich zukam, mich anlächelte und an mir vorbeischwebte. Sie hatte eine rotbraun glänzende Haut, kunstvoll geflochtenes Haar und trug nichts weiter als eine meisterhaft gefertigte Halskette und ein buntes Hüfttuch.
    „Eine Himba!“, sagte ich. „Wie kommt sie hierher?“
    Die Heimat der Himba liegt im Kaokoland im äußersten Nordwesten Namibias, mehr als 400 Kilometer vom Herero-Dorf entfernt.
    „Zu Fuß“, sagte Eberhard. „Sie ist eine Patientin von Dr. Kuvare.“
    Die Himba legten diesen weiten und beschwerlichen Weg zurück, weil sie von der Heilkunst Kuvares überzeugt waren.
    „Muss echt ärgerlich sein, wenn du so lange unterwegs bist und dann dein Kassenkärtchen vergessen hast“, sagte Rolf. Er blinzelte in die Sonne. „Ich bezweifle, dass dieser Kuvare auftaucht. Ist doch wie bei uns. Man wartet und wartet und wartet, und wenn der Weißkittel endlich vom Tennisplatz kommt, ist man tot.“
    „Keine Bange“, sagte Eberhard. „Dr. Kuvare ist zuverlässig.“
    Als hätte er nur aufs Stichwort gewartet, betrat der Heiler die Bühne. Ich glaubte zunächst an eine weitere Erscheinung, denn trotz der Bullenhitze trug er einen schwarzen Anzug, darunter ein blaues Satinhemd, eine silberne Krawatte und auf dem Kopf einen schwarzen Hut. In der Hand hielt er einen Spazierstock. Ich sprang auf

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