Von Namibia bis Südafrika
hat, ist kein Mann, sondern eine Memme. Und eine Frau ohne die Maße 90 – 60 – 90 sollte sich besser eine Burka überstülpen. Eine perfektere Zielgruppe kann es gar nicht geben. Menschen auf der Suche nach Selbstbestätigung durch Körperkult geben das letzte Hemd für eine funktionierende Schlankheitspille. Dabei liegt der wichtigste Ansatzpunkt zum Abnehmen woanders: Über den Daumen gepeilt essen Menschen in westlichen Industrieländern dreißig Mal mehr raffinierten Zucker, als ihnen gut tut. Die Folgen sind Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und rheumatische Erkrankungen. Stellen wir uns also vor, es gäbe eine Pille die uns schlank macht. Wer würde dafür nicht gerne ein paar Euro locker machen? Bis es soweit ist, müssen viele Fragen geklärt werden: Dürfen Pharmakonzerne überhaupt Heilpflanzen patentieren, die seit Jahrtausenden im Lebensraum eines Naturvolks wachsen? Wem gehört das Wissen dieser Welt? Wer darf es vermarkten? Mit Beginn des Prozesses der Khoi San gegen Pfizer machte das Wort der „Bio- Piraterie“ die Runde. Entwicklungshilfegruppen wie Greenpeace sahen darin eine Form von Neokolonialismus und sprachen von patentgeschütztem Genklau.
Darüber, wie die Khoi San diese Entwicklung erleben, wollte ich mich mit Petrus Vaalboy unterhalten. Nachdem wir herausgefunden hatten, wo wir ihn treffen konnten, fuhren wir über eine Sandpiste in die Wüste hinein. Nach einer Stunde Fahrt kamen wir an einem Wasserplatz an. Ein paar Hütten standen unter den Bäumen und daneben eine Villa, die wie ein Import aus einem Nobelviertel Stuttgarts aussah. Weil ich keine Klingel fand, klopfte ich an die Tür. Als sie geöffnet wurde, stand ich einem Buschmann gegenüber. Petrus Vaalboy trug die traditionelle Kleidung der Khoi San – einen schmalen Lederschurz – und hielt seinen Bogen in der Hand. Lachend begrüßte er mich, als würden wir uns seit Ewigkeiten kennen. Als ich eintrat, wurde das bizarre Nebeneinander von Moderne und Tradition noch deutlicher: Petrus zeigte mir seine neue Küche. Tische und Stühle hatte er hinausgeworfen. Das gleiche Bild im Wohnzimmer, in dem seine Frau und Kinder auf dem sauber gefliesten Boden saßen.
„Khoi San sitzen nicht an Tischen“, erklärte er mir.
Das Haus hatte er für seine Arbeit als Chairman bekommen. Nun versuchte er, sich den modernen Zeiten anzupassen. Anders als die Khoi San in Tsumkwe hatte er seine traditionelle Lebensweise nicht abgelegt. Die Errungenschaften des modernen Lebens nutzte er trotzdem – wer aus der Wüste kommt, weiß einen Kühlschrank und sprudelndes Wasser aus dem Hahn zu schätzen. Aber er glich alles seinen Bedürfnissen an. Ob sein Weg auf Dauer der Richtige ist, wird am Ende die Geschichte weisen. Aber in der Phase des Übergangs, den die Khoi San durchleben, hat die Variante von Petrus Vaalboy durchaus ihre Berechtigung. Das Leben ist nun einmal ein bunter Strauß an Möglichkeiten, da gibt es nicht nur Schwarz und Weiß. Petrus sprach Englisch. Ich fragte ihn, ob wir auf die Jagd gehen könnten. Petrus war bereit, meine Lungen zum Glühen zu bringen.
„We run the animal down“, sagte er.
Die Khoi San verfolgen ein Tier über Tage und legen dabei Strecken bis zu 200 Kilometer zurück – in der Wüste, wohlgemerkt. Am Ende gibt das Tier auf, und die Khoi San bedanken sich bei ihm für das Opfer, bevor sie es töten. Dann tragen sie die Beute die ganze Strecke zurück. Das ist der Zeitpunkt, in dem die Hoodia ins Spiel kommt. Die Beute ist schließlich für die Gemeinschaft bestimmt, würde aber schnell in den knurrenden Mägen der Jäger verschwinden, gäbe es nicht die appetithemmenden Eigenschaften dieser Pflanze. Immer wieder essen die Khoi San ein Stück Hoodia und schaffen es so, die Beute heimzubringen.
„Im Angolakrieg“, erzählte Petrus, „zwang das südafrikanische Militär die Khoi San zu Patrouillenund Spähdiensten. Wir sind die besten Fährtenleser, und darauf wollten die Soldaten nicht verzichten. Sie wunderten sich, warum wir nichts aßen, während ihnen in der Wüste der Proviant ausging. Also haben wir ihnen beigebracht, vom Hoodia zu essen.“
Das ist typisch für die Khoi San. Eine Gemeinschaft, der Eigentum fremd ist, kennt keine Geheimnisse, mögen sie noch so wertvoll sein. Nach dem Angolakonflikt dauerte es nicht lange, und die spitzen Ohren der Pharmaindustrie bekamen Wind von den vielen Dollars, die in der Kalahari schlummerten. Am schnellsten schaltete ein südafrikanisches
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