Von Namibia bis Südafrika
Laboratorium, das den appetithemmenden Wirkstoff P 57 der Hoodia isolierte und patentierte. Das britische Unternehmen Phytopharm erwarb die Weltlizenz und verkaufte die amerikanischen Rechte anschließend für 21 Millionen Dollar an den Pharmamulti Pfizer. Die Khoi San gingen bei diesen Geschäften leer aus.
„Du willst also die Kowa sehen?“, fragte Petrus. „So nennen wir die Hoodia. Sie wird vierzig bis fünfzig Jahre alt und kommt bis zu einem Jahr ohne Regen aus.“
Wir stiegen in den VW-Bus und machten uns auf den Weg in das unzugängliche Gebiet zwischen den beiden ausgetrockneten Flüssen Molopo und Kuruman. Als wir eine Pan erreichten – ein versandetes Flussbett – gingen Petrus und ich zu Fuß weiter. So stellt sich der Schwarzwälder die Wüste vor: ein riesiger Sandkasten, soweit das Auge reicht. Doch zum Burgen bauen blieb leider keine Zeit, denn Petrus hatte den Nachbrenner eingeschaltet und wartete nur während der obligatorischen Rauchpausen auf mich. Nach einer Weile durchsetzten kleine Inseln aus Büffelgras und Akazienbüschen den Sand. Petrus war nur noch ein Pünktchen am Horizont. Als ich ihn erreichte, kniete er neben einer Pflanze, die tatsächlich wie ein Kaktus mit gurkenförmigen Früchten aussah. Petrus machte sich mit einem Messer an ihnen zu schaffen. Er schnitt ein Stück ab, raspelte die Stacheln weg und reichte es mir. Ich biss hinein. Was soll ich sagen? Die Hoodia schmeckte entsetzlich bitter. Eine ungewohnte Geschmacksrichtung. Unser Speiseplan kennt süß, sauer, salzig, wir würzen je nach Geschmack scharf oder nicht, doch um Bitterstoffe machen Köche in der Regel einen großen Bogen.
„Und?“, fragte Petrus mit einem Gesicht, das keine Enttäuschung zuließ.
„Gut!“, sagte ich tapfer, und nahm noch ein Stück.
Petrus lachte und schnitt sich ebenfalls etwas ab. Dann sagte er: „Diese Kowa ist 25 Jahre alt. Das sieht man an den Jahresringen. Porkupine – das sind Stachelschweine – und Antilopen mögen sie. Du kannst sie immer essen, ohne Nebeneffekte. Sie stoppt Hunger und Durst und ist gut für deinen Magen und dein Blut.“
Ich schaute mich um und sah in beträchtlicher Entfernung eine weitere Hoodia.
„Gibt's viel davon?“, fragte ich.
„Früher ja“, sagte Petrus. „Jetzt sind es nur noch wenige. Es kommen eine Menge Leute und nehmen sie mit.“
Die steigende Nachfrage der Pharmaindustrie ließ die Bestände an Hoodia massiv sinken. In der Zwischenzeit ist sie in großen Teilen der Kalahari vom Aussterben bedroht.
„Und was hältst du von all dem?“ Petrus schwieg. Für die Khoi San ist es noch immer schwierig, über Dinge wie „Eigentum“ und „mein“ und „dein“ zu diskutieren.
„Ihr habt den Prozess gegen Pfizer gewonnen“, sagte ich. „Habt ihr denn das Geld bekommen?“
„Nein. Es heißt, wir müssen warten“, sagte Petrus.
Dem Urteil nach sollen die Gewinnanteile an der Hoodia-Pille an regionale Verbände der Khoi San ausbezahlt werden, die in einer Art Treuhandgesellschaft organisiert sind. Doch wird das Geld erst nach der Markteinführung fließen. Falls es sich der Konzern in der Zwischenzeit anders überlegt, erhalten die Khoi San nichts, obwohl ihr Wissen bereits genutzt wurde. Genau diese Situation trat ein: Pfizer gab die Rechte am Patent an Phytopharm zurück, welche sie an den Unilever-Konzern weiter veräußerte.
Petrus sagte dazu: „Dabei können wir nicht länger warten. Wir wurden zur Sesshaftigkeit gezwungen, nun brauchen wir Geld, um Essen zu kaufen. Essen, das wir früher gesammelt und erjagt haben. Viele von uns sterben jetzt früh. Der Grund sind Alkohol sowie Krankheiten, die wir vorher nie hatten.“
Dem Volk, welches die Zeit nicht kannte, läuft sie plötzlich davon.
Petrus sprang auf und sagte: „Ich zeige dir etwas. Komm mit.“
Frisch gestärkt rannte ich hinter ihm her. Nach einigen Kilometern hielten wir an einem Baum, der allein in einem Meer aus gelbem Büffelhorngras stand. Er war überwuchert von einem Nest winziger Webervögel, die zu Tausenden ein- und ausflogen. Die Luft erfüllte ihr Gezwitscher. Webervögel bauen ihre Nistplätze auf Bäumen, Telefon- und Strommasten, und häufig sieht man entlang der Pisten Afrikas umgestürzte Masten, die dem Gewicht nicht mehr standhalten konnten. Wir standen vor dem Baum und schauten fasziniert dem bunten Treiben zu.
„Learn from the birds“, sagte Petrus. „Sie leben alle zusammen und streiten sich nie.“
Dann lachte er, wie nur ein San
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