Von Namibia bis Südafrika
nur in Namibia und kann in ihrem Inneren Wasser aus der Luft speichern – eine effektive Überlebensstrategie für das Leben in der Wüste.
Nach acht Stunden Fahrt und fünf Mal am Lenkrad gezupft, erreichten wir Keetmanshoop. Hier befand sich während des Ersten Weltkriegs das südliche Hauptquartier der deutschen Truppen. Wer will, kann sich das Kaiserliche Postamt anschauen oder die Missionskirche, die auf den Grundsteinen einer von der Rheinischen Missionsgesellschaft im Jahr 1866 gebauten Kapelle steht. Ich wollte weder das eine noch das andere, denn von nun an würden wir uns auf Schotter- und Sandpisten fortbewegen, und dazu musste die Ausrüstung schüttelfest verpackt werden. Danach gönnten wir uns ein Steak, dazu zwei, drei Bierchen, um den Staub der Straße runterzuspülen und dann war Ab-in-die-Heia angesagt. Am nächsten Morgen mussten wir früh raus, auch ohne Ballonabenteuer, denn allein von Keetmanshoop bis zum Grenzübergang Rietfontein lagen 220 Kilometer Pistenfahrt vor uns.
Am nächsten Tag war ich es, der Rolf aus den Federn warf. Sobald es nicht darum ging, den Ballon aufzublasen, konnte nur wenig seinen Schlaf stören. Ich steuerte den VW-Bus über die steinharte Piste Richtung Aroab, und ich kann versichern, es gibt kaum etwas, das einem morgens um 4.00 Uhr schneller wach macht als der Aufenthalt in einem Cocktailshaker. Doch der Blick nach draußen entschädigte für die Rüttelfahrt: Das tiefblaue Firmament war von einem Gespinst leuchtend oranger Fäden durchsetzt, das sich einem Spinnennetz gleich über den Himmel zog. Die Ellbogen auf das Lenkrad gestützt, den Blick zum Himmel gerichtet, kam ich mir vor wie in Steven Spielbergs Film „Unheimliche Begegnungen der dritten Art“. Dann tasteten sich die ersten Sonnenstrahlen über die Kante des Horizonts und das Lichtnetz löste sich auf.
„Das wird ein heißer Tag“, prophezeite Rolf, der Wetterfrosch. Es war kurz nach halb sechs und mir standen schon Schweißtropfen auf der Stirn.
„Verdammt heißer Tag“, bestätigte ich. „Wie wär's mit einem Bierchen?“
Wir entschieden uns dann doch für Kaffee und hielten in Aroab, einem Wüstenstädtchen, in dem ich mich nicht gewundert hätte, wenn Billy the Kid um die Ecke gebogen wäre, um mir die Tasse aus der Hand zu ballern. Es gab eine Tankstelle und eine Frühstücksbar, und weil mich die Natur rief, fragte ich die liebenswürdige Besitzerin nach dem Weg zu dem Örtchen, das auch der Kaiser alleine besucht. Sie wies mit der Hand in das Innere des Hauses. Ich folgte einem dunklen Gang und stand unvermittelt in ihrer Wohnung. Die war mit einer Handvoll abgrundtief hässlicher Polstersessel möbliert. Eine Schrankwand stand herum, die ich nicht geschenkt haben wollte, und ein Kingsize-Bett, auf dem drei Teenager lümmelten. Sie hingen vor der Glotze, in der Bugs Bunny von einem Zug überfahren wurde und kümmerten sich keinen Deut um mein Erscheinen. In aller Seelenruhe probierte ich ein paar Türen aus, bis ich die richtige gefunden hatte, und als ich wieder herauskam, wurde Bugs Bunny von einem Felsblock platt gemacht.
„Fucking shit“, sagte einer der Teenys.
Dem stimmte ich zu und machte mich auf den Weg nach draußen.
Will man kuriose Geschichten erleben, empfehle ich den Aufenthalt an Grenzübergängen. Auf einer Fahrt durch Bulgarien blieb ich drei Tage am türkisch- bulgarischen Übergang Kapikule hängen. Es war während des Jugoslawienkriegs, als Bulgarien für Hunderttausende Türken die einzige Transitstrecke auf ihrem Weg aus den Ferien in der Heimat zurück nach Deutschland war. Das erregte Unwillen in Bulgarien, und daher machte man den Durchreisenden das Leben so schwer wie möglich. Am besten gelingt so etwas an einem Grenzübergang. Kapikule war wie ein Trichter, vor dessen Ausgang sich die Autos nicht nur kilometerlang, sondern auch kilometerbreit stauten. Bewaffnete bulgarische Zöllner fanden es lustig, als die Türken in der Hitze nach und nach durchdrehten. Die Kinder heulten, die Frauen fielen in Ohnmacht und Männer schlugen sich die Nasen blutig, weil sich der Nachbar eine Wagenlänge vorgedrängelt hatte. Seither habe ich eine Hassliebe zu Grenzstationen entwickelt.
Der Grenzübergang Rietfontein schaffte es auf Anhieb in meine Hitliste außergewöhnlicher Landesgrenzen. Er bestand aus zwei lang gestreckten Schuppen. Vor dem einen flatterte die namibische Flagge, vor dem anderen die südafrikanische. Dazwischen spannte sich ein massiver Schlagbaum
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